Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt
Resultat, ich weiß nur noch nicht, auf welchem Wege ich es erreichen werde!« – Denn wir erblicken in dieser Äußerung zunächst das Hervorheben einer blitzhaften Intuition. Er hat den Besitz einer Sache, die doch noch nicht sein ist, die erst sein werden kann, wenn er den Weg zu ihr findet. Widerspruch? Elementar-logisch genommen allerdings, aber methodologisch keineswegs. Hier gilt: Erwirb es, um es zu besitzen! Eine Reihe weiterer Intuitionen werden hierzu erforderlich sein, auf dem Wege des Erfindens, des Konstruierens. Hier also setzt das ein, was Einstein als das »Schrittweise« bezeichnet. Die erste Intuition muss vorhanden sein, ist sie da, so verbürgt sie in der Regel die Angliederung weiterer Intuitionen.
Nicht immer. Wir besprachen im Vorbeigehen einige besondere Fälle, die zu besonderen Schlüssen Veranlassung geben mögen. Der gewaltige Mathematiker Pierre Fermat hat der Welt einen von ihm entdeckten, überaus einfach gestalteten Lehrsatzvermacht, dessen Beweis noch bis heute nach einem Vierteljahrtausend gesucht wird. Er lautet (leichtfasslich umschrieben): Die Summe zweier Quadratzahlen kann wieder eine Quadratzahl ergeben, z.B. 5² + 12² = 13², das ist 25 + 144 = 169. Aber die Summe zweier Kubikzahlen ergibt niemals eine Kubikzahl, und ganz allgemein ausgedrückt: sobald der Exponent, der Potenzzeiger n, größer ist als 2, lässt sich die Gleichung x n + y n = z n niemals in ganzen Zahlen befriedigen; es ist unmöglich für x, y, z, drei ganze Zahlen zu finden, welche in die Gleichung eingesetzt, ein richtiges Ergebnis liefern.
Ganz sicherlich: ein intuitives Finden. Aber wenn Fermat behauptete, er habe einen »wunderbaren Beweis« in Händen, so darf man diese Behauptung aus sehr guten Gründen ernstlich bestreiten. Niemand zweifelt an der unbedingten Gültigkeit des Satzes. Aber die weitere Inspiration, die Fortsetzung der Intuition, hat sich weder seither noch bei Fermat selbst eingestellt. Ob bei ihm bezüglich des Beweises ein subjektiver Irrtum vorlag, oder eine haltlose Ansage, das lässt sich nicht entscheiden. Jedenfalls bleibt es wahrscheinlich, dass Fermat das Resultat per intuitionem besessen hat, ohne den Weg zum Resultate zu kennen. Sein schöpferischer Akt brach ab, war nur ein Anlauf, erfüllte nicht die Bedingung, die Einstein mit dem Begriff der logisch geschlossenen Methode verbindet.
Ja, man kann die Angelegenheit bei Fermat noch weiter verfolgen. Er hatte, wiederum per intuitionem, den Satz aufgestellt, man könne nach einer von ihm aufgestellten Formel Primzahlen in beliebiger Höhe konstruieren. Euler zeigte später an einem bestimmten Beispiel die Falschheit dieses Satzes. Der Satz, ausgesprochen in einem Brief an Pascal 1654, lautet: dass eine fortgesetzte Quadrierung von 2 bei Vermehrung der Potenzen um 1, also (2²) k + 1 immer Primzahl sei. Fermat fügte hinzu: »Es ist dies eine Eigenschaft, für deren Wahrheit ich einstehe .«
Euler versuchte zufällig k = 5, und fand 2³² + 1 = 4294967297 welche Zahl das Produkt von 641 und 6700417 darstellt, mithin nicht prim ist.
Man kann sich vorstellen, dass kein Euler gelebt, dass kein anderer an seiner Stelle das Dementi gefunden hätte. Wie stand es dann um diese »Entdeckung« Fermats?
Man hätte ihr ganz gewiss bis heute das Schöpferische nicht abgestritten, denn man hätte gesagt: sie entspricht einer Tatsache, die an sich vorgebildet vorliegt, ohne erweislich zu sein. Nunmehr, da wir wissen, die Tatsache existiert gar nicht, siehtdie Sache anders aus. Es war gar keine Entdeckung, vielmehr eine fehlerhafte Vermutung. Aber auch zu dieser Falschheit konnte einer nie gelangen ohne mathematisches Genie und ohne die Inspiration des Momentes. Und hieraus folgt wiederum, daß zu einer Entdeckung im Vollsinne des Wortes die Augenblicks-Intuition nicht ausreicht, daß sie durch einen Plural der Intuitionen gestützt werden muß, und deren Probe zu bestehen hat, um in den sicheren Bestand der Wahrheitserforschung einzugehen.
Wenn in Einsteins Erklärung sofort auf die Tätigkeit des »Erfindens« hingewiesen wird, so erblicke ich hierin einen Anhalt dafür, daß streng genommen das Entdecken und das Erfinden niemals abtrennbar gedacht werden sollen. Im Entdecken bleibt das Konstruierende bestehen, im Erfinden das Entdecken des Weges, auf dem das Gelingen liegt, sei es einer Methode, eines Beweises oder eines Werkes im allgemeinen. Wir sprachen von Kunstwerken, und ich bemerkte zu meiner Freude,
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