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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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tonans beleuchtete eine große Entdeckung, eine gewaltige Intuition, die selbst blitzartig in den Hirnganglien eines Erforschers aufgetreten war.
    Der Fall wäre allerdings klassisch, wenn er nicht zu neun Zehntel aus Legende bestünde. Franklin war gar nicht der erste Träger dieser Intuition, und sein Experimentalbeweis litt derart an Mängeln, daß er um ein Haar mißglückt wäre. Franklin benutzte eine trockene Hanfschnur, die er für einen Leiter hielt, die sich aber erst im nachfolgenden Regen in einen Leiter verwandelte. Bis dahin war das Funkenspiel nahe dem Erdboden kärglich genug ausgefallen, und es hatte wenig daran gefehlt, daß Franklin den Versuch aufgab, um einzugestehen, daß ihn nicht sowohl eine Intuition als eine Halluzination überfallen habe.
    Aber wem gebührt denn nun der Ruhm dieser Entdeckung? Das ist schwer zu entscheiden. Schon 1746, sechs Jahre bevorzu Philadelphia Franklins Drache stieg, hatte der Leipziger Professor Winkler die Gleichheit der Erscheinungen in einer Abhandlung behauptet und theoretisch bewiesen; noch drei Jahre vorher erklärte der Abbé Nollet die Gewitterwolken als den Konduktor einer Elektrisiermaschine, und fast gleichzeitig mit Franklin vollführten Dalibard, Delor, Buffon, Le Monnier, Canton, Bevis, Wilson großangelegte Versuche, die an Ergebnissen den amerikanischen weitaus übertrafen. Wobei zu bemerken, daß das Experiment erst 1753 zu voller Evidenz gedieh, als de Romas zu Nerac in Südfrankreich einen wirklichen Leiter, feinen ausgeglühten Draht, in die Drachenschnur einwebte und dadurch ein richtiges Donnerwetter mit 10 Fuß langen Blitzen und betäubendem Krachen heranholte. Und dann erst verfolgte man die Spur der Inspiration nach rückwärts durch die Zeiten, um zunächst in den römischen Königen Numa Pompilius und Tullus Hostilius die ersten Gewitter-Experimentatoren zu ermitteln. Bis der Physiker Lichtenberg den Nachweis zu führen unternahm, daß schon die altjüdische Bundeslade samt der Stiftshütte nichts anderes gewesen waren, als großartige elektrische Apparate, mit intensiver Ladung aus Luftelektrizität, wonach die Grund-Intuition, die Priorität der Entdeckung, auf Moses oder auf Aaron zurückzuführen wäre. Und im Anschluß hieran ergab sich die mit umständlichem Beweismaterial belegte Tatsache, daß der Salomonische Tempel zu Jerusalem durch Blitzableiter geschützt war.
    Ich darf nicht unterlassen hinzuzufügen, daß Einstein diese ganze in die Vorzeit führende Beweiskette als durchaus nicht schlüssig erachtet, obschon sich außer Lichtenberg noch andere bedeutende Gelehrte, wie Bendavid in Berlin und Michaelis in Göttingen für deren Geltung eingesetzt haben. Und da es sich hier um elektrische Zusammenhänge handelt, so wird man sich nicht entschließen dürfen, Einsteins Zweifel zu vernachlässigen. Soweit ich mich entsinne, richtete sich dieser auch nicht gegen die grobsinnlichen Fakten an sich, als gegen die Deutung, die ihnen untergelegt werden soll. Das will sagen: man hat sowohl bei den altrömischen wie bei den alttestamentarischen Dingen den Begriff der Entdeckung auszuschalten, diesen vielmehr nur denjenigen Geistesakten aufzubewahren, die zur Schaffung einer gedanklichen Methode hinführen. Immerhin darf man dabei bleiben, daß in diesem vermeintlich klassischen Fall weder Franklin noch sonst einer als der Entdecker oder als Träger eines schöpferischen Aktes anzusprechen ist.
    Ungleich einfacher und unbestreitbarer liegt derExperimental-Fall bei der Spektralanalyse . Zweifellos eine Entdeckung von fundamentaler Bedeutung mit allen Kennzeichen der Erstmaligkeit und unbestritten ohne jede Vorläuferschaft. Was mich dabei stets ein wenig beunruhigt hat, ist die Tatsache, daß zwei Männer erforderlich waren, um sie zu erdenken, ein Duo von Geistern für einen Denkakt, der sich doch ganz einheitlich, elementar, unabtrennlich von der Intuition eines einzelnen vorstellt. Aber es scheint möglich, daß die historische Tradition hier nicht ganz getreu überliefert, und daß die beiden Männer aus freiem kollegialem Willen zusammengefaßt haben, was allerdings in der nachfolgenden Zusammenarbeit, nicht aber im ersten Entstehen als Dioskurenleistung auftrat. Diese Möglichkeit wurde mir klar aus einem Worte Einsteins, der mir ziemlich deutlich zu verstehen gab: Kirchhoff und Bunsen, das bedeutet: erst Kirchhoff, dann Atempause, und schließlich auch Bunsen. Schalten wir aber diese Frage nach Einheit oder Zweiheit aus, so bleibt

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