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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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bestehen: der Gedanke einer Spektralanalysis tauchte auf (als Folge vorangehender optischer Versuche an Frauenhofer-Linien) und wurde durch die nachfolgenden Experimente restlos bestätigt. Bloß restlos? Nein, die Klassizität dieses Falles offenbarte sich noch weit triumphaler: denn unmöglich konnte Kirchhoff-Bunsens Intuition die ganze Tragweite ihrer Entdeckung übersehen haben, als sie sie schon in Händen hatten.
    Jede Entdeckung umschließt ein Hoffnungsquantum. Sei es bei Kirchhoff noch so groß gewesen, so konnte es nicht im entferntesten an den Grad der Erfüllung hinanreichen. Aus dem theoretischen Grundgedanken, »ein Dampf absorbiert aus dem ganzen Strahlenkomplex des weißen Lichts gerade nur jene Wellenlängen, die er auch auszusenden vermag«, entwickelte sich ein Verfahren von einer Findigkeit, Feinheit und Sicherheit, die ans Unbegreifliche grenzen. In prismatisch zerlegten, von Dämpfen ausgehenden Lichtstrahlen, zeigten sich feine, gefärbte Linien, die das Unbekannte verrieten, und Schlag auf Schlag bewies das spektroskopische Experiment, daß der Urheber des Gedankens nicht nur eine, sondern eine Fülle von Entdeckungen gemacht hatte. Hier tauchte, um ein Beispiel zu nennen, beim Verbrennen winziger Rückstände von Mineralwasser eine zuvor noch nicht gesehene rote und eine blaue Linie im Spektralband auf. Und sofort wußte man: ein nie vordem ermittelter Urstoff kündigte sich an. So wurde in dichter Folge das Element Cäsium entdeckt, dann das Rubidium, das Thallium, Indium, Argon, Helium, Neon, Krypton, Xenon, – gewiß Dinge, die in der Natur schon vorgebildet waren, wie ja auch die Idee einer Brücke von der Optikzur Chemie schon in der Natur beschlossen vorlag; aber den erstaunten Zeitgenossen wird es nicht zu verwehren sein, wenn sie hier in der Grundentdeckung eine Geistestat von schöpferischer Kraft erblickten.
    In jenem Hoffnungsquantum befand sich auch der Ausblick auf den Genauigkeitsgrad. In dieser Hinsicht bestätigte das Experiment unfaßbar mehr, als die verwegenste Phantasie des Entdeckers vorausahnen konnte. Eine gelbe Linie zeigt sich im Spektralbild des Natriums. Und es ergab sich experimentell: der dreimillionste Teil eines tausendstel Gramm von Natronsalz reicht hin, um im Bunsenbrenner diese gelbe Linie hervorzurufen. Ein schwindelerregendes Spiel der Wahrscheinlichkeitsrechnung setzte ein. Wenn weiterhin spektralanalytisch ermittelt wurde: in der Sonnenatmosphäre gibt es Wasserstoff, Kohlenstoff, Eisen, Aluminium, Calcium, Natrium, Nickel, Chrom, Zink, Kupfer, so ließ sich hinzufügen, wie groß die Möglichkeit eines Irrtums in solcher Feststellung wäre. Kirchhoff hat es berechnet: Eine Trillion gegen eins läßt sich darauf wetten, daß diese Stoffe wirklich in der Sonne vorhanden sind!
    Nie zuvor hat sich das Experiment in ähnlichem Ausmaß als Bewahrheiter eines entdeckerischen Gedankens erwiesen. Und hier erscheint es angezeigt, sich mit einer Lehre zu beschäftigen, die in die tiefsten Gründe der Beziehung zwischen Experiment und Entdeckungsakt hineinleuchten will. Es wird nämlich behauptet, daß ein restlos bewahrheitendes Experiment, »Experimentum crucis«, in der Physik unmöglich sei. Das will sagen: in jedem Entdeckergedanken steckt eine Hypothese; und mag das nachfolgende Experiment ausfallen, wie es wolle, so bleibt die Möglichkeit, daß diese Hypothese falsch war und späterhin einer anderen, wesentlich widersprechenden, auch wiederum nur für beschränkte Zeit gültigen wird weichen müssen.
    Der Haupt-Wortführer dieser Theorie ist der bedeutende Gelehrte Pierre Duhem, Membre de l'Institut. Er setzt das Experiment in Parallele mit dem mathematischen Beweis, besonders mit dem indirekten, apagogischen, der in der Euklidischen Geometrie sich so erfolgreich bewährt hat. Da wird methodologisch angenommen, eine Behauptung wäre falsch; diese Annahme, so wird gezeigt, führt zu einem offenkundigen Widersinn, folglich war die Behauptung richtig bis zur Ausschließung irgend eines Zweifels. Und damit ist auf mathematischem Felde ein wirkliches Experimentum crucis geliefert.
    Hiernach prüft Duhem die Gültigkeit zweier physikalischer Theorien, die beide ihrerzeit mit dem Anspruch der Entdeckungauftraten. Newton hatte als das Wesen des Lichtes die »Emission« entdeckt; für ihn, für Laplace und Biot besteht das Licht aus Projektilen, die mit äußerster Geschwindigkeit abgeschleudert werden. Die Entdeckung von Huyghens, gestützt durch Young und

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