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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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tut es mir leid.«
    »Du hast mir weh getan. Aber ich bin kein Mädchen. Niemand hat Friza jemals erklären können, daß ich kein Junge bin. Und ich bin irgendwie froh darüber. Ich glaube nicht, daß sie es auf die gleiche Weise akzeptiert hätte, wie du es immerhin akzeptiert hast.«
    »Sie ist oft hier gewesen?«
    »Immer, wenn sie nicht bei dir war.«
    Ich sprang über den Zaun, schwang mich oben drüber, fiel auf der anderen Seite auf den Boden. »Wo ist der verdammte Felsblock, den du wegwälzen willst?«
    »Hier …«
    »Faß mich nicht an«, sagte ich. »Zeig mir nur, wo.«
    »Hier«, wiederholte Dorik in der Dunkelheit.
    Ich packte den Stein an einer Kante, die in den Boden verschwand. Wurzeln brachen, Erde rieselte flüsternd, und ich rollte den Stein heraus. »Wie geht es übrigens dem Kind«, fragte ich.
    Ich mußte es fragen. Und, verdammt, Dorik, warum waren deine nächsten Worte genau die, die ich schmerzlichst erhoffte nicht hören zu müssen?
    Am Pfosten lehnte eine Schaufel. Ich stieß sie in das Grab. Verfluchter Le Dorik.
    »Das von Friza und mir«, sagte Dorik nach einer Weile, »wird vielleicht in einem Jahr wieder von den Ärzten untersucht werden. Braucht ’ne ganze Menge Spezialtraining, aber sie ist ganz schön funktional. Kriegt vielleicht nie ein La, aber wenigstens wird sie nicht hier drin bleiben müssen.«
    »Das ist nicht das Kind, das ich meinte.« Die Schaufel klirrte gegen einen Stein.
    »Du fragst doch sicher nicht nach dem, das mir ganz allein gehört.«
    Es waren zwei, drei Stückchen Eis in dem Satz. Dorik schnippte sie mit voller Absicht gegen mich. »Du meinst deins und meins.« – Als wenn du das nicht wüßtest, du androgyner Wechselbalg. – »Er ist lebenslänglich hier, aber er ist glücklich. Willst du ihn dir anschauen …«
    »Nein.« Drei Schaufeln voll Erde noch. »Begraben wir Whitey und verschwinden wir von hier.«
    »Wohin gehen wir?«
    »La Dire, sie sagt, du und ich, wir müssen einen Trip zusammen machen und das töten, was Friza getötet hat.«
    »Oh«, sagte Dorik. »Ja.« Dann ging er zum Zaun hinüber und bückte sich. »Hilf mir.«
    Wir hoben den aufgedunsenen gummiartigen Körper auf und trugen ihn zu der Grube. Er rollte dumpf polternd über den Rand.
    »Du solltest warten, bis ich dich holen komme«, sagte Dorik.
    »Ja. Aber ich kann nicht warten. Ich will jetzt gehen.«
    »Wenn ich mit dir gehen soll, wirst du warten.«
    »Warum?«
    »Schau mal, Lobey«, sagte Dorik, »ich habe einen Käfig zu betreuen.«
    »Es macht mir nichts aus, wenn alles, was in diesem Käfig hockt, verschimmelt. Ich will hier ’raus und mich auf den Weg machen!«
    »Ich muß einen neuen Wärter einarbeiten, die Ausbildungsmöglichkeiten überprüfen, die Nahrungsbestände und Spezialdiäten sicherstellen, die Wartung der Notbunker …«
    »Verdammt, Dorik, komm schon!«
    »Lobey, ich habe drei Kinder hier drin. Eins von dir, und eins gehört zu einem Mädchen, daß du geliebt hast. Und eins gehört mir ganz allein. Zwei davon – wenn sie geliebt werden und man sich um sie kümmert und ihnen viel Zeit widmet und Geduld mit ihnen hat – können eines Tages hier ’rauskommen.«
    »Zwei davon, was?« Plötzlich hatte ich keine Luft mehr in der Brust, und es tat weh. »Aber nicht meins. Ich gehe.«
    »Lobey!«
    Ich hielt inne, rittlings auf dem Zaun.
    »Schau, Lobey, du lebst in der wirklichen Welt. Sie kommt von irgendwoher, sie geht irgendwohin: sie wandelt sich. Aber es gibt richtig und falsch in ihr, eine Art, sich zu betragen, und eine Art, wie man sich nicht beträgt. Du hast nie akzeptieren wollen, schon als Kind nicht, aber ehe du es nicht tust, wirst du nicht besonders glücklich sein.«
    »Du sprichst über mich als Vierzehnjährigen«, sagte ich.
    »Ich spreche über dich, wie du jetzt bist. Friza hat mir viel erzählt …«
    Ich sprang vom Zaun und begann durch die Räume zu gehen.
    »Lobey!«
    »Was ist?« Ich ging weiter.
    »Du hast Angst vor mir.«
    »Nein.«
    »Ich werde dir zeigen …«
    »Ja, das kannst du ganz gut, Leuten Sachen im Dunkeln zeigen, nicht wahr? Darin bist du anders, was?« Ich rief es über die Schulter zurück.
    Ich überquerte den Fluß und begann die Felsen hinaufzuklettern. Ich war wütend wie der ganze Elvis. Ich ging nicht in Richtung der Weide, sondern machte einen Bogen und ging zu den steileren Stellen. Ich hieb auf die Blätter los und ließ Zweige schnellen, als ich so durch die Finsternis raste. Dann hörte ich, wie jemand durch

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