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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Brüdern Früchte zu sammeln.
    Nach einer Stunde in der Dunkelheit, in der ich darüber nachdachte, was in den Käfig ging und was aus ihm herauskam, kehrte ich ins Dorf zurück, rollte mich auf dem Heuschober hinter der Schmiede zusammen und lauschte auf das Summen des Transformators, bis es mich einschläferte.
    Bei Anbruch der Morgendämmerung streckte ich mich, rieb mir den Sand der Nacht aus den Augen und ging zum Pferch. Easy und Little Jon kamen ein paar Minuten später. »Braucht ihr heute Hilfe bei den Ziegen?«
    Little Jon steckte die Zunge in die Backe. »Nur einen Augenblick«, sagte er und ging in eine Ecke.
    Easy scharrte verlegen mit den Füßen.
    Little Jon kam zurück. »Ja«, sagte er. »Sicher brauchen wir Hilfe.« Dann griente er. Und Easy griente ebenfalls, als er das Grinsen sah.
    Welche Überraschung! Kleiner Ball von Furcht in mir! Sie lächeln! Easy hievte den obersten Balken des hölzernen Tors beiseite, und die Geißen kamen meckernd nach vorn und streckten die Mäuler über die zweite Sprosse. Was für eine Überraschung!
    »Sicher«, sagte Easy. »Bestimmt brauchen wir dich. Fein, daß du wieder bei uns bist!« Er knuffte mich an den Kopf, und ich zielte einen Schwinger nach seiner Hüfte, traf ihn aber nicht. Little Jon zog den zweiten Balken heraus, und wir trieben die Geißen über den Platz, die Straße hinaus und dann auf die Weide hinauf. Genau wie früher. Nein, nicht genauso.
    Easy erwähnte es als erster, als sich unter der Kühle der Morgendämmerung die erste Wärme einschlich. »Es ist nicht genauso wie früher, Lobey. Du hast etwas verloren.«
    Ich hieb auf die Wedel einer niederen Weide ein, und ein Schauer von Tau näßte mir Gesicht und Schultern. »Meinen Appetit«, sagte ich. »Und vielleicht ein paar Pfunde.«
    »Nein, nicht deinen Appetit«, sagte Little Jon, als er hinter einem Baumstamm hervorkam. »Es ist was anderes.«
    »Was anderes?« wiederholte ich. »Sagt mal, Easy, Little Jon, wieso bin ich anders?«
    »Hm?« fragte Little Jon. Er warf einen Stecken nach einer Ziege, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Verfehlte sie. Ich hob einen kleinen Stein auf, der zufällig unter meinem Fuß war. Traf sie. Die Ziege richtete ihre blauen Augen auf mich und kam herübergestakst, auf halber Strecke interessierte sie sich für etwas anderes und versuchte es zu fressen. »Du hast große Füße«, sagte Little Jon.
    »Nö, das ist es nicht«, sagte ich. »La Dire hat an mir etwas Besonderes bemerkt, das wichtig ist; etwas Besonderes an mir, so wie es an – Friza war.«
    »Du machst Musik«, sagte Easy.
    Ich blickte nach der Löcherklinge. »Nö«, sagte ich. »Ich glaube nicht, daß es das ist. Ich kann euch ja beibringen, wie man spielt. Das ist eine andere Art von besonders als die, nach der sie sucht. Glaube ich.«
    Am späten Nachmittag brachten wir die Geißen zurück. Easy lud mich zum Essen ein, und ich holte einen Teil von meinem Schinken, und wir machten uns über Little Jons Fruchtversteck her. »Willst du kochen?«
    »Nö«, sagte ich.
    Also ging Easy ’runter bis an die Ecke mit dem Transformator und rief auf den Platz: »He, wer will das Abendessen für drei schwerarbeitende Gentlemen kochen, die Nahrung, Unterhaltung, kluge Gespräche beisteuern können? – Nein, du hast schon mal Abendessen für mich gekocht. Nun schubs doch nicht so, Mädchen! Nein, du auch nicht. Wer hat dir denn das Würzen beigebracht? Nee, ich erinnere mich an dich, Strychnin-Lizzy. Okay, du da, ja du. Komm mit.«
    Er brachte ein hübsches kahlköpfiges Mädchen mit zurück. Ich hatte sie schon mal gesehen, aber sie war erst vor kurzem ins Dorf gekommen. Ich hatte nie mit ihr gesprochen und kannte ihren Namen nicht. »Little Jon, Lobey, und mein Name ist Easy. Wie war doch deiner?«
    »Nennt mich Nativia.«
    Nein, ich hatte nie mit ihr gesprochen. Eine Schande, daß diese Geschichte dreiundzwanzig Jahre gedauert hatte. Ihre Stimme kam nicht aus ihrem Kehlkopf. Ich glaube, sie hatte gar keinen. Der Ton begann viel tiefer unten, kam flüsternd aus einer Höhle von Glocken.
    »Du kannst mich rufen, wie du magst«, sagte ich, »und soviel du magst.«
    Sie lachte, und der Klang webte zwischen den Glocken. »Wo ist das Essen, und dann laßt uns eine Feuerstelle suchen.«
    Wir fanden einen Kreis von Steinen unten am Fluß. Wir wollten uns Kochgeschirr aus dem Kraal holen, aber Nativia hatte eine eigene große Bratpfanne, und so brauchten wir uns nur Zimt und Salz zu leihen.
    »Nun mach mal«,

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