Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
ließ
mich aufs Bett fallen und musterte das schlichte Holzkreuz an der gegenüberliegenden
Wand. Immer noch besser als das Loch, in dem ich sonst meine letzte Nacht in Rom
verbracht hätte …
Gegen 18
Uhr wurde ein gelber Umschlag unter der Tür durchgeschoben. Er trug das Siegel des
Papstes. Als ich die Tür öffnete und in den Gang hinaussah, war der Bote schon wieder
verschwunden.
Lieber Albert,
du wirst dich vielleicht wundern,
dass sich der Papst mit einer Bitte an dich wendet. Leider war es von Anfang an
ein großes Problem für mich, im Vatikan eingesperrt zu sein. Wie gern habe ich früher
als Präfekt der Glaubenskongregation mit den Katzen am Borgo Pio gespielt. Es ist
mir sogar verwehrt, meine Heimat Regensburg zu besuchen, die ich so sehr liebe.
Natürlich bin ich als Papst kein Gefangener im eigenen Hause. Es war schließlich
mein freier Wille, mich Gottes Bestimmung zu fügen. Anfangs habe ich mich manchmal
heimlich fortgeschlichen, um meine frühere Wohnung an der Piazza Leonina zu besuchen.
Aber meine Vertrauten weigern sich, mir dabei behilflich zu sein.
Daher meine
Bitte, ehe du nach Deutschland zurückkehrst. Auf der Piazza Parquale Paoli am Tiber
gibt es ein kleines Eiscafé. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber dort bekommt
man das beste Schokoladeneis der Welt. Und die Pizza Margarita ist auch nicht ohne
…
Man kann
draußen sitzen, mit herrlichem Blick auf den Fluss und die Brücken. Wenn man keine
Bedienung wünscht, holt man sich seine Bestellungen einfach an der Theke. Ich trage
immer einen breitrandigen Hut. Trotzdem ist die Gefahr groß für mich, erkannt zu
werden. Aber wenn du mir ein wenig behilflich bist, werden wir dort sicher einen
schönen Abend verbringen. Sei bitte um 19 Uhr an der Pforte Sant’ Anna, falls du
mir diesen kleinen Gefallen tun willst!
Herzliche Grüße
Papst Benedikt
XVI.
Ich zog mir gelangweilt die Bettdecke
über den Kopf. Schokoladeneis gehört nicht gerade zu meinen Leibgerichten. Aber
vielleicht gab es dort ja Whisky? Oder auf der Toilette trieben sich Junkies herum,
die ein Pfeifchen schmauchten?
Zur vereinbarten
Zeit ging ich langsam auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf und ab, um keinen
Verdacht bei der Schweizer Garde zu erregen.
Als sich
eine winzige eiserne Pforte neben dem Eingang öffnete, sah ich erst nur eine tastende
Hand, die seltsame Bewegungen in der Luft vollführte – als hasche sie vergeblich
nach den letzten Sonnenstrahlen. Oder war das als Wink zu verstehen? Dann wurde
die Hand zum Arm und bekam eine schwarze Kutte – und schließlich tauchte die ganze
Gestalt mit einem etwas bizarr wirkenden dunklen Hut auf. Unauffälliger als Joseph
Ratzinger hätte auch keine römische Katze aus dem Tor schleichen können.
Höchst erstaunlich,
wie geschmeidig das Kerlchen über die Straße huschte.
»Da bist
du ja«, sagte er. »Falls uns jemand anspricht, nicht stehen bleiben und keine Antwort
geben.«
Sein Lieblingscafé
war tatsächlich ein lauschiges Plätzchen mit schönen Uferbäumen; darüber erhob sich
in der Ferne die Kuppel des Petersdoms.
»Nehmen
wir Pizza Margarita?«
»Bekommen
Sie denn im Vatikan nichts zu essen?«
»Die Margarita
ist hier einfach besser …«
Während
ich bestellte, saß Benedikt draußen, den breitkrempigen Priesterhut tief in die
Stirn gezogen. Aber außer Valentino, dem Wirt, gab es nur ein etwas geistesabwesendes
Mädchen, das Cary Grant nicht von Orson Welles hätte unterscheiden können.
Nach der
Pizza genehmigten wir uns drei Kugeln Schokoladeneis mit kandierten Kirschen und
einem doppelten Schuss Amaretto. Ich hätte gern auf drei Amaretto erhöht, aber Benedikt
warnte mich, das Zeug habe 54 Prozent.
»Was hältst
du davon …?«, fragte er, während wir unser Eis löffelten, und zeigte auf das Panorama
der Brücken.
»Beeindruckend
…«
»Aber es
scheint dich nicht wirklich zu begeistern?«
»Weil es
nur Fassade ist – wegen all der Negativität in der Welt.«
»Wir sehen
Negativität als Zeichen des kosmischen Kampfes mit Satan, der den Menschen immer
wieder dazu verführt, sich von Gott abzuwenden.«
»Bleibt
die ontologische Fehlkonstruktion bei der Erschaffung des Universums. Warum überhaupt
Habgier und Destruktivität? Warum hat Gott eine Welt geschaffen, in der sich Menschen
und Tiere auffressen? Und wozu auch noch der große Widersacher Satan? Was veranlasst
einen allmächtigen Gott, sich auf solchen Murks einzulassen? Das Ganze sieht doch
arg
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