Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
unempfänglich geworden wären.
Aber Monsignore
Gänswein schien es gar nicht so genau wissen zu wollen. Er bat mich, Platz zu nehmen
– und in diesem Augenblick betrat auch schon Papst Benedikt den Raum – die Arme
ausgebreitet – und drückte freundlich lächelnd meine Hand …
An der goldenen
Kordel auf seiner Brust hing ein Kruzifix, und sein weißer Haarschopf mit Kappe
strahlte wie ein platt geklopfter Heiligenschein, der sich nicht so recht mit seinem
Kopf anfreunden wollte.
»Ich bin
überaus erfreut, einen solchen Genius und hochbegabten Schüler aus meiner Heimat
Deutschland im Vatikan begrüßen zu dürfen«, sagte Papst Benedikt.
Er deutete
auf einen der Sessel, und Prälat Xuereb, der zweite Sekretär des Papstes, fragte
mich leise, ob ich eine Tasse Tee wünschte.
Bei den
Preisen in Rom fiel es mir schwer, sein Angebot abzulehnen …
»Was weißt
du über dieses Haus?«, erkundigte sich Benedikt, als wolle er mir nun einen längeren
Vortrag darüber halten, dass in jeder Pore des Gebäudes der Geist Gottes atmete.
Doch stattdessen sah er mich nur erwartungsvoll an.
Es waren
seine Augen, die einen so einnahmen! Als wenn sie auf rätselhafte Weise beides zugleich
verkörperten – den röntgenhaften Blick, der gnadenlos unsere Schwächen durchleuchtete
und zugleich das Wohlwollen, großzügig über jeden Fehler hinwegzusehen.
»Der Apostolische
Palast ist die offizielle Residenz des Papstes in der Vatikanstadt«, sagte ich,
weil ich annahm, dass er jetzt eine der üblichen Kostproben meines Wissens erwartete.
»Er beherbergt neben der päpstlichen Wohnung Büros der Kurie und Teile der Vatikanischen
Museen. Das Gebäude besteht aus über 1.300 Räumen und besitzt mit etwa 55.000 Quadratmetern
die größte Grundfläche der Welt. Teile des Palastes sind in die Vatikanischen Museen
eingegliedert, zum Beispiel die Sixtinische Kapelle, die Cappella Niccolina und
das Appartamento Borgia.«
»Ich glaube,
nach allem, was man über deine Geistesgaben hört, hätte ich keine weniger erschöpfende
Antwort erwarten dürfen«, sagte Benedikt lächelnd.
»Leider
werden die Probleme der Welt nicht dadurch gelöst, dass man die Anzahl der Räume
im Apostolischen Palast kennt.«
»Aber Räume
können Zufluchtsstätten für Geist und Vernunft sein?«
»Wenn die
Vernunft eine Zufluchtsstätte sucht, dann hat sie sich schon zur Ruhe gesetzt.«
»Manchmal
liegt das Wesentliche auf der Hand und manchmal muss man tiefer schürfen.«
»Es ist
unmöglich, in den Krieg zu ziehen, wenn alle Soldaten den Gehorsam verweigern. Mann
kann nicht verhungern, wenn wir miteinander teilen. Je mehr Menschen das Positive
verwirklichen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir selbst eines Tages
davon betroffen sind.«
»Ja, ich
habe eine Aufzeichnung deines Gesprächs mit dem Dalai Lama gesehen. Es hat mir gefallen.
Glaubst du denn, dass das Positive immer leicht zu erkennen ist?«
»Auch in
Zweifelsfällen gilt der Grundsatz: Je mehr Versuche wir trotz aller Fehlschläge
unternehmen, das Gute zu verwirklichen, desto größer ist die zu erwartende Summe
des Positiven für alle.«
»Bedeutet
das nicht oft Verzicht?«
»Wir opfern
unser egoistisches Eigeninteresse, um am Ende von der reichen Ernte des glücklicheren
Ganzen zu profitieren.«
»Das ist
die eigentliche Hürde, nicht wahr?«, sagte Benedikt.
»Es ist
und bleibt eine Wahl, trotz Schmerz und Verlust. Und möglicherweise gegen unsere
augenblickliche Bequemlichkeit und Zufriedenheit.«
»Also Leiden,
wenn man so will …?«
»Ich verstehe,
worauf Sie hinauswollen. In der Tat hat Christus uns das mit seinem Gang zum Kreuz
vorgeführt. Der Weg führt durch Schmerzen, Entsagung und Leiden.«
»Und wie
hältst du es selbst mit der Unsterblichkeit der Seele, Albert?«
»Sie meinen
die ewige Glückseligkeit?«
»Es geht
der Kirche gar nicht nur um den Weg zur ewigen Glückseligkeit, sondern auch um eine
menschenwürdige Zukunft auf Erden.«
»Wobei nicht
immer klar ist, ob die großen Weltkirchen die Botschaft von oben schon vernommen
haben. Ich exkommuniziere dich, wenn du heiratest. Ich steinige dich, weil du Ehebruch
begangen hast. Ich verbiete dir die sexuelle Lust um der Lust willen. Ich hacke
dir die Hand ab, weil du gestohlen hast. Ich verstoße dich, weil du Schweinefleisch
isst. Ich bestrafe dich, wenn du nicht deinen Körper verhüllst.«
Während
ich das sagte, versuchte ich – sozusagen auf Vorrat für meinen Rückflug nach Deutschland
–
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