Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

…«
    Mein Alter
murmelte etwas zwischen den Zähnen hindurch, das ich nicht verstand und umfasste
mit beiden Händen das Lenkrad, als versuche er einen toten Gegenstand zu erwürgen.
    Mam wechselte
wortlos auf den Klappsitz unseres Siebensitzers, als ich einstieg –
    – und zu
meiner Überraschung entdeckte ich, dass hinten im Fond schon die drei spindeldürren
Stiefschwestern meines Erzeugers saßen! Ihre Gesichter unter den breitrandigen schwarzen
Hüten waren von spinnwebengrauen Netzen verhüllt, damit sie nicht von der untergegangenen
Sonne geblendet wurden.
    »Was ist
los?«, fragte ich. »Hat hier plötzlich die große Versöhnung stattgefunden? Soll
das eine Art Familienzusammenführung werden?«
    »Die Mädels
wollten einfach mal sehen, ob du aus dem Vatikan den Geruch von Feuer und Schwefel
mitgebracht hast«, feixte mein Alter. »Wenn Satan nur in der Fantasie des Papstes
existiert, wie die Atheisten glauben, dann musst du dich ja direkt an der Quelle
befunden haben …«
    Meine Mutter
lächelte verhalten; meine Tanten kicherten; und mein Alter lachte sich halb tot
über seinen gelungenen erkenntnistheoretischen Scherz.
    Ich wollte
schon aussteigen, ehe das Ganze in eine Gesellschaft zur gegenseitigen Bewunderung
ausartete. Doch dann ließ ich einfach die Scheibe herunter und steckte meinen Kopf
in den Fahrtwind.
    Wie die
Österreicher sagen: Hände falten, Gosch’n halten. Das Leben ist kein Wunschkonzert.
    Irgendwann
sausten wir so dicht am Bordstein vorüber, dass unsere vordere rechte Radkappe abfiel.
Das Ding kollerte polternd übers Pflaster und blieb am Straßenrand liegen. Aber
mein Alter bemerkte nichts von alledem. Er bewunderte gerade mal wieder selbstzufrieden
sein Spiegelbild in der Windschutzscheibe und kratzte sich an seinem gesunden rechten
Ohr.
    Der Idiot
schaut in den Spiegel und erblickt einen Gelehrten … amerikanisches
Sprichwort.
    Wir waren
kaum fünf Kilometer gefahren und ich fand schon wieder tausend Gründe, meiner versammelten
Mischpoke den Rücken zu kehren.
    Aber wohin
hätte man in diesen unwirtlichen Zeiten noch flüchten sollen? Vielleicht in eine
auf 196 Grad minus heruntergekühlte Stickstoffflasche?
    Es gibt
kaum einen Punkt auf der Welt, wo man sich heutzutage sicher fühlen kann. In Südafrika
wird einem noch am Ankunftstag die Kehle durchgeschnitten, falls man nicht vergewaltigt
wird, wie 40 Prozent aller Schüler. Russland ist ein ziemlich eisiges Land. Und
den Asiaten gilt man nur als willkommener Gast, weil sie es darauf abgesehen haben,
die neueste Armbanduhr zu fälschen, die man am Handgelenk trägt.
    Außerdem
steuerte die Finanzwelt gerade wie die Titanic auf ihren Eisberg zu – den größten
Bankraub der Geschichte, den ihre Casino-Jongleure mit Hedge-Fonds, Derivaten und
Spread-Ladder-Swaps eingefädelt hatten, während an Deck immer noch gut gelaunt die
Sonnenliegen hin und her geschoben wurden.
    »Wie geht’s
eigentlich deinem Bruder in der Karibik?«, fragte ich.
    »Leider
weilt unser geliebter Pistazio nicht mehr unter den Lebenden. Dein Onkel wurde vor
drei Monaten am Strand von einer Kokosnuss getroffen.«
    »Was denn,
der mit den gefälschten All-inclusive-Armbändern?«
    »Kokosnüsse
unterscheiden nun mal nicht zwischen echten und falschen Armbändern.«
    »Pistazio
– ist das die männliche Form von Pistazie?«
    »Mach dich
nicht über einen armen Toten lustig. Onkel Pistazio hatte eine schwere Kindheit.
Nach seiner Entführung durch Mafiosi wurde er von einer sizilianischen Hebamme großgezogen.«
    »Pistazio
Pottkämper oder Pistazio Klein?«
    »Zum Beispiel,
ja.«
    »Pottkämper
würde einiges erklären. Wahrscheinlich hat man seinen Personalausweis genauso wie
deinen in irgendeiner Mülltonne gefunden? Warum nennst du dich eigentlich nicht
gleich Samuel Israel, wie der berühmte untergetauchte Hedgefonds-Betrüger?«
    »Sprechen
wir lieber von etwas anderem«, schlug mein Alter vor. »Das sind Fragen, die man
seinen Eltern niemals stellen sollte, wenn man noch einen Funken Anstand hat.«
     
    Auf dem Weg nach Hause plapperten
meine Tanten ununterbrochen über Gott und die Welt, über Regenbogen und Danziger
Goldwasser. Ob der Papst Kinderschändern Absolution erteile. Was die Tunguska-Explosion
mit der Sprengkraft von tausend Hiroshima-Bomben verursacht habe. Welche Polsterbezüge
Lupus vulgaris begünstigten. Ob jetzt bald die Silikonbrust-Steuer eingeführt werde
und Narzissmus angeboren oder ein Erziehungsfehler sei.
    Mit