Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
nach Pfusch aus.«
»Brauchen
wir denn nicht das Leiden und den Schmerz, um daran zu wachsen und uns trotz aller
Widrigkeiten für das Gute zu entscheiden?«
»Wenn Gott
allmächtig ist, dann sollte es ihm auch möglich sein, ein wenig an den ontologischen
Grundlagen zu schrauben. Aber sehen wir uns nur eine x-beliebige Geburt an. Da fängt
das Desaster doch schon an. Der Körper verfügt über Millionen Schmerzrezeptoren.
Und kaum haben wir begriffen, was um uns her vorgeht, kommen auch schon die Schlächter
a la Hitler, Stalin, Mao, Pol Pott und zeigen uns, wie man das Schlachten in der
Welt fabrikmäßig optimieren kann.«
»Gott hat
uns nun einmal Freiheit und Vernunft gegeben. Freiheit birgt immer ein Risiko, deshalb
wird sich nie das endgültig eingerichtete Reich des Guten in dieser Welt verwirklichen
lassen.«
»Hat Gott
denn nicht voraussehen können, in welches Elend er uns damit stürzen würde?«
»Ich verstehe
deine Ungeduld. Genehmigen wir uns noch einen Amaretto?«
»Aber diesmal
ohne Eis …«
»Vielleicht
ist Alkohol der einzige Weg, um Gottes unergründlichen Ratschlüssen zu folgen.«
Damit war
unser Alkoholismus von höchster Stelle abgesegnet. Ich ging zur Theke und erkundigte
mich beim Wirt, was der Rest de Flasche Amaretto kostete.
»Für Gottes
Stellvertreter umsonst«, sagte Valentino. »Aber versprich mir, dass du den Heiligen
Vater wohlbehalten an der Pforte Sant’ Anna ablieferst? Einmal wäre er fast beim
Ponte St. Angelo in den Tiber gefallen.«
»St. Angelo
– ist das nicht ein Umweg?«
»Er war
wohl etwas vom Weg abgekommen.«
»Ich gebe
Ihnen das Ehrenwort eines deutschen Gymnasiasten«, sagte ich und reichte Valentino
die Hand. Als ich mich noch einmal mit der Flasche nach ihm umwandte, legte er verschwörerisch
grinsend seinen Zeigefinger vor den Mund.
Ich wollte
uns gerade zwei Amaretto eingießen, als das Mädchen eine Karaffe Wasser und Eis
brachte. Es kam eilig über den Vorplatz, wie um zwei uneinsichtige Alkoholiker vor
Schaden zu bewahren.
»Für Eure
Heiligkeit …«, flüsterte es und machte einen schüchternen Knicks.
»Was sind
das nur für Leute«, beklagte sich Benedikt, als sie gegangen war. »Anscheinend halten
sie jetzt schon jeden für den Papst, der einen schwarzen Hut trägt.«
Wir saßen
noch lange am Ufer des Tiber und leerten zwei Flaschen italienischen Likörwein,
der aus der Toskana stammte und passenderweise Vin Santo hieß, was so viel
bedeutet wie »heiliger Wein«, bis Valentino, der Wirt, uns mit freundlichen aber
bestimmten Worten nach Hause schickte.
Auf dem Ponte Vittorio wurde mir
plötzlich übel von all dem süßen und hochprozentigen Zeug. Mein Magen gab der Erde
in hohem Bogen zurück, was sie uns so großzügig überlassen hatte …
Während
ich noch mit wackligen Beinen das Geländer umklammerte, ließ Benedikt sich ungerührt
den kühlen Abendwind um die Nase wehen. Am gegenüberliegenden Ufer erstrahlte das
Castel Sant’ Angelo im Licht von Scheinwerfern. Da stand er nun wie ein Fels in
der Brandung, der kleine, verhalten lächelnde Mann – und Alkohol schien ihm nicht
das Geringste anhaben zu können.
Wer brachte
hier eigentlich wen nach Hause? Wahrscheinlich vertragen diese Burschen nur so viel,
weil sie ihr Leben lang Messwein getrunken haben.
Nach der
zweiten Ladung unverdauter Pizza wurde mir etwas besser und ich ließ probeweise
das Brückengeländer los. »Auch ein schlagender Beweis für die Unvollkommenheit des
Universums«, sagte ich, als ich wieder Luft bekam. »Vielleicht müssen wir uns einfach
von der christlichen Creatio ex nihilo – der Schöpfung aus dem Nichts – verabschieden?«
»Oder ist
doch jeder selbst für seine Fehler verantwortlich?«, fragte Benedikt.
»Eine ordentlich
konstruierte Magenschleimhaut sollte gegen solche Attacken gefeit sein.«
An der Pforte
St. Anna reichte ich Benedikt zum Abschied die Visitenkarte meines Taxifahrers.
»Die Tochter
meines Freundes Antonio ist schwer erkrankt. Können Sie etwas für sie tun?«
»Ich werde
deine Nachricht am Altar der Sixtinischen Kapelle ablegen«, sagte er und ließ das
Kärtchen unter seiner Soutane verschwinden. »Da ist sie bestens aufgehoben und hat
direkten Zugang zu Gott.«
»Falls Gott
sich mal dort blicken lässt?«
»Er möge
dein Herz erleuchten, damit du Jesus Christus als den Heiland aller Menschen erkennst.«
Prälat Gänswein hatte für den Morgen
einen Wagen bestellt, und als ich zum Flughafen Fiumicino fuhr,
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