Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
Vom Netzwerk:
17.«
    »Aber das
war deiner Meinung nach auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss?«
    »Er irrte
bei seiner Analyse des Verhältnisses von Gefühl und Objekt und versteckte das Problem
in nebulösen Formulierungen.«
    »Verstehe
ich dich richtig, dass Fühlen in der Ästhetik keine Rolle spielt?«
    »Nein, Gefühle
sind für die ästhetische Erfahrung essenziell. Ohne Fühlen keine Schönheit. Fühlen
bedeutet – obwohl als Definiendum zweifellos nicht restlos verbalisierbar – im Wesentlichen
›angenehm‹ und ›unangenehm‹, jedoch niemals ›richtig‹ oder ›falsch‹. Angenehm- und
Unangenehmsein färben alle Arten von Wahrnehmungen ein, auch die ästhetischen. Hirnphysiologisch
vor allem repräsentiert durch die Amygdala und den Nucleus accumbens.«
    »Kannst
du dich etwas verständlicher ausdrücken, Albert?«, unterbrach mein Alter mich. »Rede
so, dass dich jeder normale Mensch versteht!«
    »Was wäre
denn deiner Meinung nach das ästhetische Phänomen an und für sich?« fragte Augusta.
    Es war klar,
dass er jetzt einen jener Erkenntnisblitze erwartete, der mich in eine Reihe mit
Geistesriesen wie Aristoteles und Wittgenstein stellte.
    »Eine Synthese
aus kontingenten Gefühlen, die mit Sinneswahrnehmungen und gedanklichem Erfassen,
wie z. B. Bewerten, ein Neues bilden, eine Ganzheitsqualität.«
    »Eine Ganzheits
…?«, fragte mein Alter mit offenem Mund. Dabei zeigte er uns seine scheußlich blinkenden
Goldzähne, die ihm ein durchreisender philippinischer Zahnarzt auf der Flucht vor
der Ausländerbehörde zu ermäßigten Preisen eingesetzt hatte.
    »Als ästhetische
Theorie eines Jahrhundertgenies noch wenig aussagekräftig«, stellte Augusta fest.
Er wirkte irgendwie erleichtert oder zufrieden, als er das sagte. »Obwohl im Detail
durchaus beachtlich. Du versuchst dich da an einer Definition des Schönen, junger
Freund, an der schon die klügsten und ausgebufftesten Köpfe der Geistesgeschichte
gescheitert sind …«
    Ich sah
meinem Alten an, dass er nach diesem Kommentar jegliche Lust an weiteren Gesprächen
verlor. Er versetzte mir unter dem Tisch einen Tritt ans Schienbein und deutete
unauffällig zur Tür.
    »Gut, das
dürfte erst einmal als Kostprobe für die Begabung unseres jungen Aspiranten ausreichen«,
sagte Professor Augusta. »Darf ich dich bitten, draußen zu warten, bis ich mit deinem
Vater über deine Zukunft gesprochen habe, Albert?«
     
    In der Dämmerung sausten Büsche
und Bäume an uns vorüber – und manchmal auch der eine oder andere Fußgänger. Einmal
hatte ich den Eindruck, wir streiften mit dumpfem Knall einen Radfahrer und er segelte
vorsorglich rechts in den Straßengraben, wahrscheinlich mit der festen Absicht,
möglichst viel Schmerzensgeld herauszuschinden …
    Aber es
gehört nun mal nicht zu den Prinzipien der Pottkämpers, auf solche Empfindlichkeiten
Rücksicht zu nehmen. Mein Alter fuhr weiter geradeaus, als sei nichts passiert.
Wie es schon in der ZDV zur Gefechtsausbildung der Bundeswehr heißt:
    Bei zunehmender
Dämmerung hat der Soldat alsbald mit Dunkelheit zu rechnen.
    »Ist dir
klar, dass du gerade unseren rechten Kotflügel beschädigt hast?«, fragte ich.
    »Unsinn.
Dieses Fahrzeug hat vier Millimeter dickes Stahlblech. Sonderanfertigung für einen
arabischen Prinzen, der wegen Haremsquerelen den Kaufvertrag annullieren musste.«
    Wir bogen
in unsere Straße ein und dabei fiel mir auf, dass mein Alter sorgfältig jeden parkenden
Wagen musterte, ob darin Spione des Sozialamts saßen.
    »Was hat
er gesagt?«
    »Wer?«
    »Professor
Augusta.«
    »Dein künftiger
Mentor zieht dich für eine Assistentenstelle in Erwägung. Nach einigen Semestern
und bei ordentlichem Schulabschluss.«
    »In Erwägung?«
    »Was dachtest
du denn? Dass er dir gleich eine Professur anbietet?«
    »Meiner
Meinung nach habe ich überaus großzügig aus dem Nähkästchen geplaudert und ihm Stichworte
für mindestens zwei weitere Habilitationsschriften geliefert.«
    »Na wenn
schon. Musstest du dem Mann unbedingt zu verstehen geben, dass seine akademische
Kompetenz nicht an deine heranreicht? Ich frage mich, von wem du diesen eklatanten
Mangel an Diplomatie geerbt hast.«
    »Du meinst,
meine Mutter hat dir ein Kuckucksei ins Nest gelegt?«
    »Manchmal
überspringen Gene einfach Generationen und werden plötzlich wieder aktiv.«
    »Dann stammen
meine wohl von Aristoteles. Übrigens ist dein Versuch, uns wegen unseres Namens
zu verschaukeln, ziemlich

Weitere Kostenlose Bücher