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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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    Doch an diesem Tage verschwand ich
lieber für einige Zeit im Badezimmer, um abzuschalten. Das Thema jammernde Weiber
wühlte mich immer zutiefst auf.
    Glücklicherweise
verlangte niemand, dass ich überall und jederzeit erreichbar war. Mein Alter hasste
wie gesagt Mobiltelefone, weil er sonst von jedem dubiosen Anrufer kontrolliert
werden konnte, womöglich noch mit Standortbestimmung. Er hielt Handys für den verlängerten
Arm der National Security Agency , deren weltweites Netz mit den deutschen
Geheimdiensten kollaborierte. Und falls nicht, gab sich vielleicht gerade jemand
als Vertreter aus, war aber in Wirklichkeit Fahnder der Finanzbehörden.
    Ich drehte
die Heizung an und versenkte meinen glatten, durchtrainierten Körper – bei dem jedes
Mädchen Stielaugen bekam – im heißen Wasser, bis mir fast die Luft wegblieb. Mein
Herz begann zu rasen und das Blut pochte in meinen Schläfen.
    Ein paar
Mal hatte ich das Gefühl, dass ich schlappmachte, aber ich hielt durch. Ich konzentrierte
mich mit aller Kraft auf die Wände und ließ meinen Blick über die Badezimmerkacheln
wandern, bis die Form des Vierecks immer deutlicher hervortrat. Dann kam der Moment,
den ich gern als absolutes Vakuum bezeichne: Die Außenwelt verschwand, als
sei alles über den Rand des Tellers gefallen. Sie war einfach weg …

5
     
    Meine Schwester war seit zwei Wochen
verschwunden. Wahrscheinlich wurde sie in einem Erdloch gefangen gehalten oder in
einer Sickergrube unter der Garage. Aber es schien hier niemanden zu interessieren,
ob sie in die Fänge eines Sexualtäters geraten war. Wobei ich den Mann schon jetzt
bedauerte. An seinem Pinsel würden kaum noch Borsten übrig bleiben nach vier Wochen
mit meiner wilden Schwester Anja.
    Ungefähr
am 20. Tag begann mein Alter sich Sorgen zu machen. Vielleicht war ihm aufgefallen,
dass die Müllberge aus Pappbechern und Colaflaschen, aus ineinander verknäulten
Slips und Söckchen in ihrem Zimmer nicht mehr größer wurden. Also rief er mich zu
sich und eröffnete mir:
    »Du hältst
dich doch für den größten geistigen Überflieger des Jahrhunderts?«
    »Na und?«
fragte ich. »Wo ist da der Neuigkeitseffekt?«
    »Wenn ich
dich richtig verstehe, willst du nach dem Abitur deine Doktorarbeit überspringen
und dich gleich habilitieren?«
    »Kommt darauf
an, ob wir einen Professor finden, der meine Begabung erkennt …«
    »An deiner
Schule sieht man das anders.«
    »Spielst
du damit auf meine Lehrerin Fräulein Schiffgen an, die nur eines im Sinn hat, nämlich
möglichst schnell schwanger zu werden? Oder auf Albert und Clemens, die dauernd
versuchen, deinen Rolls Royce zu klauen?«
    »Was denn,
deine Mitschüler fummeln an meinem Rolls Royce herum?«
    »Ich sagte,
kommt darauf an, ob wir einen Professor finden.«
    »Das ist
der springende Punkt«, sagte er. »Hab kürzlich jemanden kennen gelernt, der dich
eventuell unter seine theoretischen Fittiche nehmen würde. Professor Augusta, Lehrstuhlinhaber
für Ästhetik an der hiesigen Universität. Falls ich mich für dich einsetze, beruht
das Geschäft zwischen uns beiden natürlich auf Gegenseitigkeit.«
    »Welches
Geschäft?«
    »Du machst
dich umgehend auf die Suche nach deiner Schwester und bringst sie ohne Aufsehen
wieder nach Hause. Kein Jugendamt, keine Behörden.«
    »Findest
du, das ist liberal? Ich meine, wie viele Monate fehlen Anja denn noch an ihrer
Volljährigkeit?«
    »Deine Schwester
ist noch nicht einmal 17. Für dieses Alter ist vom Gesetzgeber klar definiert, bei
wem und wo man zu leben hat.«
    Dieser Mann
war wie alle Väter. Er war in seine Tochter verliebt. Er konnte es nicht ertragen,
dass sie flügge wurde und wegging.
    »Warum beauftragst
du damit nicht die Polizei?«
    »Na, dreimal
darfst du raten, Klugscheißer …«
    »Weil dann
die Behörden in deinen Angelegenheiten herumschnüffeln würden? Etwa wegen deines
falschen Namens?«
    »Sprich
nicht so laut«, sagte mein Alter. »In unserer Stadt haben die Wände Ohren.«
     
    An diesem Tag knallte die Sonne
vom Himmel, als lege sie es darauf an, ein Loch in die Straßendecke zu brennen.
Schon an der Haustür wäre ich am liebsten wieder umgekehrt. Ich bin nämlich allergisch
gegen zu große Helligkeit, weil sie einen am Denken hindert.
    Fast alle
zivilisatorischen Errungenschaften kommen aus den grauen, wolkenverhangenen Regionen
der Welt. Wer erfindet schon den Reißverschluss oder die Glühbirne, wenn der Himmel
strahlend blau ist und die Temperaturen über 30

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