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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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geht.
    Zwischenzeitlich
dachte ich, dass ich wieder fit sei. Einmal aß ich einen halben Teller Milchreis,
den ich im Kühlschrank gefunden hatte. Und irgendwann zwei Äpfel. Sie lagen mir
schwer im Magen. Deshalb trank ich vorsorglich ein halbes Glas Wasser. Aber auch
danach wurde mir nicht besser. Wie üblich hämmerte das Blut in meinen Schläfen.
Und dann wurde mir plötzlich wieder kalt und ich bekam Schüttelfrost …
    Die heißen
Phasen waren weniger strapaziös. Man schwitzte, doch in New York schwitzt man um
diese Jahreszeit immer. Ich drehte die Klimaanlage an und legte mich aufs Sofa.
    Irgendwann
musste ich eingenickt sein, denn plötzlich wurde ich vom Knarren des Wohnzimmerschranks
geweckt. Ich blinzelte ein wenig, weil solche Geräusche in meinem Zustand meist
nichts Gutes ahnen ließen. Und tatsächlich öffnete sich ganz langsam die Tür mit
den Butzenscheiben – sozusagen in Zeitlupe, aber nicht so weit, dass man ins Innere
der dunklen Fächer blicken konnte.
    »Was soll
das? Was ist los?«, fragte ich. »Was willst du mir damit sagen?«
    Bekanntlich
haben Wohnzimmerschränke keine Stimme, aber dieser hier hatte den originalen Klang
eines alten Baritons (Umfang A – e 1 /g 1 ), der offenbar
ein wenig zu tief ins Glas geblickt hatte.
    »Warum kehrst
du nicht endlich nach Deutschland zurück und unterstützt deine Familie?«, erkundigte
sich mein Wohnzimmerschrank.
    »Welche
Familie?«
    »Auch die
schwächste und unzulänglichste Familie ist immer noch eine Familie.«
    »Meine Mutter
hüpft nackt im Pelzmantel über die Wiesen, und mein Stiefvater würde sich jeden
Tag ein Ohr abschneiden, wenn er genügend davon hätte.«
    »Und deine
Großmutter? Kehr wenigstens ihr zuliebe zurück. Sie macht sich große Sorgen um dich.«
    »Würde das
etwas ändern?«
    »Bring einer
durstigen alten Frau eine Tasse Tee. Du musst nicht gleich das ganze System verbessern.«
    »Und wieso
eigentlich nicht …?«, rief ich in einem Anfall plötzlicher Gereiztheit und schlug
so krachend die Schranktür zu, dass fast die Butzenscheiben aus den Messingrahmen
fielen. »Ich bin deine Ratschläge langsam leid …«
    Während
ich rauchte, dachte ich über alles Mögliche nach, über Politik und den Gezeitenhub
vor Coney Island, die Unfähigkeit der Physiker, eine vom Beobachter unabhängige
Realität nachzuweisen und über Entlausungskuren bei Pudeln – auch über meine Beziehungen
zu Frauen.
    Das Ergebnis
war nicht gerade berauschend. Mir fiel der Mann ein, der Asche aus der Urne seiner
verstorbenen Frau in der Haschpfeife rauchte. Als man ihn fragte, was er damit bezwecke,
antwortete er:
    »Es sind
die einzigen Momente, in denen wir zusammen ein gutes Gefühl haben.«
    Jemand aus Hollys Freundeskreis
gab mir den Rat, mein Gebiss in Ordnung zu bringen. Meine beiden Zahnlücken erinnerten
an die schwarzen Rechtecke, wie sie Kinder Gesichtern in die Münder malen. Also
suchte ich einen dieser Modeärzte auf, die für die Leute in den Studios arbeiten.
    Es war das
erste Mal seit meinem Konflikt mit dem Präsidenten, dass ich mich auf die Straße
wagte. Am liebsten wäre ich gleich wieder umgekehrt. Über der Stadt stand ein riesiger
Sonnenball. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals eine derart große Sonne gesehen
zu haben.
    Bei so grellem
Himmel war es fast unmöglich, zu erkennen, ob auf den Dächern Scharfschützen lauerten

    Ich meine,
schließlich ist das Attentat auf John F. Kennedy auch nie aufgeklärt worden. Wen
würde es schon kümmern, wenn in New York ein deutscher Gymnasiast tot auf der Straße
lag? Mein Weg durch die Straßenschluchten glich einem Spießrutenlauf von einem Schatten
zum anderen.
    Doch in
dieser Stadt fällt ein Verrückter ohnehin nicht weiter auf. Wahrscheinlich ist sogar
der überwiegende Teil der Bevölkerung verrückt. Ich meine, wenn man sich anschaut,
mit welcher Hektik man hier sein Leben verbringt. Jeder geht immer einen Schritt
zu schnell. Und wenn die Einwohner von New York endlich zu Hause sind und Hunger
haben, dann springen sie kurz ins Auto, um sich im Kaffeeshop ein Haus weiter eine
Pizza zu kaufen. Während sie auf der Suche nach einem Parkplatz den Wohnblock umrunden,
stoßen sie auf zahllose fremde Leute. Denn niemand kennt hier seinen Nachbarn. Währenddessen
sitzen ihre Kids acht Stunden am Tag vor dem Fernseher und sehen sich jede Menge
Werbung für fettes Essen an.
    Irgendein
Witzbold hat wegen der Einsamkeit in der Großstadt mal vorgeschlagen, jeder solle
ein Heft mit

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