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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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einer meiner Talkshows?
    »Die Wissenschaft
ist ständig im Fluss, junger Freund. Was passiert, wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit
auf Gefühle richten? Sie werden beherrschbarer. Das hilft Ihnen, Ihre Abhängigkeit
zu überwinden.«
    »Vielleicht
sollten wir uns die Methode patentieren lassen – 50 Prozent für meine theoretischen
Grundlagen, der Rest geht an Ihre praktische Umsetzung?«
    »Falls Sie
immer noch unsicher sind, worum es sich handelt, stellen Sie sich einfach vor, Sie
ekelten sich vor Spinnen. Um eine Spinne anzufassen, müssen Sie sich entweder in
einer Willensanstrengung über Ihre Abneigung hinwegsetzen – oder Sie fühlen einfach
Ihren Ekel. Sie akzeptieren ihn, Sie weichen ihm nicht aus. Das gibt Ihnen Handlungsspielraum.«
    Er öffnete
ein Fenster, räusperte sich, und als ich fragend die Augen öffnete, gab er mir die
Hand und sagte: »Mit Ihrem Gehirn sollte das kein Problem sein.«
     
    Ich stand schon vor der Haustür,
als ich mir einen Ruck gab und noch einmal in seine Praxis zurückkehrte.
    »Was ist
los?«, fragte Doktor Trousson. »Haben Sie es sich anders überlegt?«
    »Ihr Name
kommt mir bekannt vor. Sind Sie vielleicht mit dem berühmten französischen Philosophen
Jacques Trousson verwandt?«
    »Jacques
ist mein Bruder.«
    »Lebt er
in New York?
    »Nein, der
alte Kotzbrocken hat sich in seinem Dorf in der Provence verkrochen.«
    Alter Kotzbrocken
wurde Trousson genannt, weil er zwar wie Foucault, Lévy, Derrida und Glucksmann
zur ersten Garde der französischen Eierköpfe gehörte, aber weder Interviews gab
noch überhaupt für irgendjemanden zu sprechen war.
    »Ich bin
seit meinem neunten Lebensjahr ein großer Verehrer Ihres Bruders.«
    »Alle Welt
scheint Jacques zu lieben. Nur umgekehrt gilt das nicht. Er betrachtet Menschen
als Roboter, die glauben, sie verfügten über Willensfreiheit.«
    »Das ist
ein Punkt, über den ich gerne mit ihm diskutieren würde.«
    »Mein Bruder
ist der unerträglichste Determinist, den man sich vorstellen kann«, sagte Doktor
Trousson.
    »Ich kehre
bald nach Europa zurück. Da böte es sich doch an, einen kleinen Umweg über Nizza
zu machen. Könnten Sie vielleicht ein Treffen mit ihm arrangieren?«
    »Das wird
kaum möglich sein. Ich kann Ihnen eine Empfehlung auf seine Visitenkarte schreiben
… die Adresse brauchen Sie ja ohnehin, falls Sie ihn besuchen wollen? Aber es dürfte
nicht viel nutzen.«
    »Überaus
freundlich von Ihnen.«
    »Und nehmen
Sie sich vor seinen beiden Bewachern Rolo und Humbert in Acht«, sagte Doktor Trousson,
als er mir die Karte reichte. »Besonders vor Rolo, der ist brandgefährlich.«
    »Bewacher?«,
fragte ich. »Sie meinen so was wie Leibwächter?«

26
     
    Holly hatte fast jeden Tag im Studio
zu tun. Also saß ich nach meinem Besuch beim Arzt stundenlang in der Badewanne,
nahm meine Medikamente und zählte die Kacheln. Jede Minute im warmen Wasser fühlte
sich an wie eine Neugeburt.
    Ich glaube,
es war drei oder vier Tage vor meiner endgültigen Genesung, als es an der Wohnungstür
klingelte. Ich horchte misstrauisch dem Klang der Glocke nach …
    Schließlich
stand ich doch auf, um mir selbst zu beweisen, dass ich nicht mehr an Paranoia litt.
Ich verzichtete sogar darauf, durch den Türspion zu blicken.
    Draußen
standen – in einem Berg von Umhängebeuteln, Taschen und Koffern – meine Schwester
Anja und Schlagersänger Herbert.
    »Jetzt haut’s
mich aber aus den Schuhen … wie habt ihr mich denn gefunden?«
    »Sieht man«,
sagte Herbert. »Der Boden ist patschnass. Und zieh dir bitte was an. Ich kann mir
das Elend unter deinem Bauchnabel nicht länger ansehen.«
    Meine Schwester
umarmte mich und war ganz außer sich.
    »Gott, bin
ich froh, dass du noch lebst, Albert. Hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht.«
    »Was ist
los?«, fragte ich. »Wozu das Gepäck?«
    Darauf begannen
beide gleichzeitig – und einer lauter als der andere – auf mich einzureden. Ich
verstand kein einziges Wort und mir begannen wirklich die Ohren zu klingeln. Also
räusperte ich mich ein paar Mal und versuchte ihren Redefluss zu stoppen. Aber irgendwie
befanden sich die beiden gerade in einem anderen Universum.
    »Beim Duett
sind stets zu sehn zwei Mäuler, welche offen stehn – Wilhelm
Busch«, sagte ich schließlich, um dem Spuk ein Ende zu bereiten.
    Herbert
hielt abrupt inne. Die rote Nase in seinem grüngrauen Gesicht sah aus wie eine vergammelte
Möhre. Und kurioserweise blieb sein Mund, obwohl er nicht mehr sprach, weiter

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