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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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Storchenbeine und
Zahnlücken«, fügte ich am Ende meiner ausführlichen Erörterungen hinzu. Es dauert
nämlich eine gewisse Zeit – die auf keinen Fall unterschritten werden darf –, bis
sich die emotionalen Schwingungen in der Amygdala der Frau abschwächen …
    »Warum heiratest
du nicht endlich und ziehst Kinder groß?«, sagte sie. »Dann wärst du schon mal aus
dem Haus und müsstest uns nicht weiter auf den Wecker gehen.«
    »Du weißt
doch, wie die Frauen sind. Man findet sich ruckzuck im Umerziehungslager wieder
– und verwechselt es kurioserweise auch noch mit dem eigenen Haus, für das man gerade
im Schweiße seines Angesichts die Raten abarbeitet.«
    »Umerziehungslager,
was soll das heißen?«
    »Orte, an
denen man umerzogen wird.«
    »Etwas Erziehung
würde dir bestimmt nicht schaden.«
    »Am Grimmauldplatz
Nummer 12 vielleicht, im Zauberministerium.«
    »Ist das
nicht aus Harry Potter?«
    »Da fragst
du den Falschen. Harry-Potter-Leser sind bekanntlich nie älter als zwölf Jahre,
egal, wie alt sie dem Geburtsschein nach sein mögen.«
    »Ich verstehe
nicht, worauf du hinaus willst?«
    »Erst habt
ihr uns zu Sitzpinklern gemacht, um dann mit den Stehpinklern ins Bett zu gehen.«
    »Da ist
doch auch nur wieder so ein blödes Zitat?«
    »Wenn ich
auf die Affeninsel wollte, würde ich mir an der Zookasse eine Eintrittskarte kaufen.«
    »Zum Glück
gibt es noch Menschen, die anders darüber denken.«
    »Wir Männer
sollten uns nicht von der Evolution hinters Licht führen lassen. Die hat es nämlich
nur darauf angelegt, den Erhalt der Art zu sichern. Allerdings ohne Rücksicht darauf,
ob es gut für unsere seelische Gesundheit ist …«
    Ein Aufschluchzer
war zu hören, als bekäme meine Schwester plötzlich einen Erstickungsanfall. Dann
ein kurzes, starkes Schnäuzen, das jedem Taschentuch den Garaus machte.
    »Anja?«
    Keine Antwort.
    »Anja, was
ist passiert?«
    Keine Antwort,
schweres Atmen …
    »Anja, wenn
du jetzt nicht sofort antwortest, rufe ich den Krankenwagen.«
    Eine Ahnung
von Stimmchen zitterte durch die Leitung, so zart, dass man es leicht mit der schwachen
Hintergrundstrahlung des Universums hätte verwechseln können.
    »Was hast
du gesagt?«
    »Ich glaube,
der Gedanke an Heirat spielt für mich auch keine große Rolle mehr.«
    »Na also,
ausgezeichnet. Hör mal, Anja«, sagte ich, »sobald ich hier im Institut fertig bin,
ist meine Zeit in den Staaten abgelaufen. Was hältst du davon, wenn wir zusammen
nach Europa zurückfliegen?«
    »Und Herbert?«
    »Such dir
lieber einen jüngeren Schnulzensänger.«
    »Ich werde
meinen Freund doch nicht dieser Frau überlassen.«
    »Holly hat
gar nichts Besseres verdient, als vergeblich deinem Herbert nachzulaufen.«
    »Aber sie
läuft ihm nicht nach«, heulte meine Schwester wieder los. »Er läuft ihr nach …«
    »Bitte schalte
jetzt einfach mal den Hauptprozessor ein, Anja. Dein Gehirn läuft nämlich momentan
von Festplatte. Wir steigen morgen ins Flugzeug.«
    »Ich rühre
mich nicht aus New York weg.«
    »Na, großartig«,
sagte ich, bevor ich den Hörer in die Gabel warf. »Dann hätten wir ja mal wieder
die komplette menschliche Komödie beisammen.«
     
    Weil mir die Sache nicht aus dem
Kopf gehen wollte, fuhr ich noch einmal hinaus zum Central Park und erkundigte mich,
ob dort ein junges Mädchen ertrunken sei. Niemand wusste etwas über einen Unglücks-
oder Todesfall. Also ging ich am Ufer entlang und musterte unschlüssig den See.
    »Wenn du
ihre Leiche finden willst, schwimm am südlichen Ufer des Harlem Meers los und dann
etwa 30 Meter nach Nordosten. Ihr Körper hat sich in einer alten Reuse verfangen
…«, wiederholte die Stimme wie damals in meinem Kopf.
    Ich war
ziemlich konsterniert, weil ich damit überhaupt nicht mehr gerechnet hatte. Aber
es war wohl doch kein Flashback vom LSD oder Crack, sondern nur eine besonders realistische
akustische Erinnerung. Ich würde den Teufel tun, jetzt in den See hinauszuschwimmen.
Es gab auch keine Ruderboote hier wie weiter südlich am Großen Lake. Ich fand, es
war einfach an der Zeit, dass ich langsam erwachsen wurde.
    An der Brücke
kam mir ein Obdachloser entgegen. Zumindest hielt ich ihn aus der Entfernung dafür.
Er trug trotz des warmen Wetters einen langen schwarzen Mantel und sein weißer Bart
reichte ihm bis zum Gürtel.
    Doch schon
nach wenigen Schritten erkannte ich, dass ich mich geirrt hatte. Sein Gesicht wirkte
wie das eines orthodoxen Patriarchen, und die Spitze seines

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