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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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mir auch wieder ihr Gesicht in seiner ganzen jungmädchenhaften
Schönheit vor Augen. Wie damals im Königreichssaal der Zeugen Jehovas.
    »Fusiform
Face Area aktiv«, stellte Doktor Carlsen fest. »Und jetzt stellen Sie sich bitte
mal den unangenehmsten Ort vor, der Ihnen momentan einfällt.«
    Ich dachte
an mein Zimmer, das auf die Wand des Krematoriums hinausging.
    »Parahippocampal
Place Area hyperaktiv«, sagte Doktor Carlsen. »Oh, mein Gott, da scheint Ihnen aber
etwas überhaupt nicht zu gefallen?«
    »Mein Zimmer
im Institut. Wenn Sie wollen, denke ich zum Vergleich mal an meinen Lieblingsschauspieler,
den alten Paul Newman? Falls Sie den Bereich identifizieren können, werden Sie übrigens
finden, dass es nur ein einziges Neuron ist.«
    »Nanu, sind
Sie etwa vom Fach, Albert?«
    »Ich versuche
einfach auf dem Laufenden zu bleiben, was die Neurologie des Gehirns anbelangt.«
    »Beeindruckend.
Tatsächlich haben unsere Kollegen herausgefunden, dass sich einzelne Neuronen finden
lassen, die nur auf die Gesichter einer bestimmten Person ansprechen. In einem Fall
wurde zum Beispiel ein Neuron gefunden, das nur bei Bildern von Bill Clinton aktiv
wird.«
    »Vielleicht
wäre das ja ein Weg, um demnächst durch Ausschaltung einzelner Neuronen einfach
die Wahrnehmung ungeliebter Zeitgenossen abzuschalten?«
    »Da hätten
wir aber ein Menge abzuschalten, oder?«
     
    Professor Bullet und Doktor Carlsen
waren gar nicht so übel. Nach der Untersuchung baten sie mich zu einem Imbiss in
ihr Büro und erklärten mir, sie würden nun die Ergebnisse ihrer Arbeit mit anderen
berühmten Gehirnen vergleichen. Das könne einige Tage dauern. Ob ich danach noch
einmal zu einer vergleichenden Untersuchung zur Verfügung stünde. Selbstverständlich
sei ich weiterhin Gast des Instituts.
    »Sie erweisen
der Wissenschaft einen unschätzbaren Dienst, Albert, auch wenn wir Ihnen momentan
kein ordentliches Hotelzimmer anbieten können«, sagte Doktor Carlsen. »Wir sind
nämlich auf dem besten Wege, die kreativen Zentren des Gehirns zu identifizieren.
Otto Normalverbraucher ist dafür kein besonders geeignetes Untersuchungsobjekt.
Und die Gehirne der meisten Nobelpreisträger sind bereits in einem Alter, in dem
man Verkalkungen schwer von kreativen Anomalien unterscheiden kann.«
    Das fanden
die beiden offenbar komisch, denn sie grinsten wie die Honigkuchenpferde. Doktor
Carlsen hatte leicht vorstehende Zähne und erinnerte mich an einen englischen Komiker.
Mir fiel nur zum Verrecken sein Name nicht ein. Manchmal denke ich, dass mein Gehirn
zwar in der Tat außergewöhnlich ist, aber man muss immer mit Überraschungen rechnen.
    »Der Erfolg
unserer Forschungen liegt in den Abweichungen«, erklärte Professor Bullet.
    »Verstehe.«
    »Sie sind
wirklich ein Glücksfall, wie es ihn nur einmal in 50 Jahren gibt, Albert. So was
wie Sie bekommen wir so schnell nicht wieder in die Röhre …«

28
     
    Ich besorgte mir bei einem chinesischen
Straßenhändler einen Gaskocher für die Tage im Institut, um nicht auf die Lokale
in der Umgebung angewiesen zu sein. Außerdem Besteck und ein paar Töpfe, die schon
ziemlich verbeult aussahen, aber trotzdem den vollen Preis kosteten.
    Dazu gehört
in diesem Land – man glaubt es kaum – wegen der Angst vor Bränden und Explosionen
auch ein Sicherheitsventil, das laut Gesetz immer abgesperrt sein muss, wenn man
die Wohnung verlässt. Also auch, wenn man mal eben zum Briefkasten geht. Jedenfalls
stand das auf dem Karton des Gaskochers.
    Als ich
vor meiner Zimmertür stand, fiel mir ein, dass ich vor dem Schlafengehen noch einen
Kaffee trinken wollte. Koffein bewirkt bei mir nämlich genau das Gegenteil, ich
werde hundemüde. Also ging ich noch einmal hinunter und kaufte mir beim Krämer an
der Ecke ein Glas löslichen Kaffee. Mit dem Wechselgeld in der Hand fiel mir ein,
dass ich meine Schwester anrufen könnte.
    Seit meinem
Rausschmiss wohnte Anja offenbar weiter bei Holly und Herbert, denn sie nahm sofort
den Hörer ab.
    »Pennt ihr
eigentlich zu Dritt in einem Bett?«, fragte ich. »Oder wie soll ich mir das vorstellen?«
    »Du bist
ein Scheusal, Pottkämper …«
    Anjas Stimme
hörte sich an, als wenn sie gleich losheulen würde. Aber ich bekam gerade noch die
Kurve, um das zu verhindern. Ich erzählte ihr eine lange Geschichte über die Vorzüge
von Männern, die allenfalls unter der Dusche oder in der Badewanne sangen und keine
Tausend-Watt-Verstärker für ihre Stimme brauchten. »Männer ohne

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