Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
sie sich sehr bestürzt darüber, dass ich keine Frau war.
Ich sagte:
»Spiel nicht mit scharfen Waffen, wenn du keinen Waffenschein besitzt. Das Ding
könnte losgehen.«
UND DA WAR
ES AUCH SCHON PASSIERT …
»Gott, das
ging aber schnell«, sagte Angel. »War das ein Schnellschuss?«
In diesem
Augenblick öffnete Holly Chappell die Tür der Besenkammer …
27
Danach lebte ich einige Zeit in
einer schäbigen Absteige im Seitenflügel des Instituts für Kernspintomografie der
New York University, Stadtteil Queens. Es war die ehemalige Wohnung des Hausmeisters.
Man hatte mich gebeten, in eine Untersuchung meines Gehirns einzuwilligen. Seit
dem Artikel im TIME Magazine war die Wissenschaft auf mich aufmerksam geworden.
Mein Fenster
ging auf die Seitenwand einer Leichenhalle, die zum angrenzenden Krematorium gehörte.
Ich weiß
nicht, wie viele Menschen dort als Verbrennungsreste durch den Kamin flogen. Den
Leichenwagen nach zu urteilen eine Menge. Wenn man nur lange genug dort lebte und
ab und zu die Fenster öffnete, atmete man gewissermaßen die eine oder andere Leiche
ein.
Die Magnetresonanztomografen
des Instituts zählten zu den größten und fortschrittlichsten der Welt. Es war, als
wenn die Gelenkarme, Lampen, Kabelstränge, Röhren und Bildschirme nicht vor den
Wänden des Instituts haltmachten, sondern alles mit allem untereinander verbunden
war – ein Moloch, ein riesiges Tier, das irgendwann die vollständige Kontrolle über
uns Menschen übernehmen würde.
Diese Hirnphysiologen
sind schon eine Kaste für sich. Wenn sie einen durch ihre lupenartigen Brillengläser
anstarren, fühlt man sich wie ein seltenes Insekt. Sie beugen sich über dich, studieren
deine Kopfform – vielleicht auch ein Modell der Hirnareale, das sie wie einen vorgestellten
Raster über deinen Schädel gelegt haben –, und jedes Kopfschütteln, jedes Husten
oder Flüstern scheint irgendetwas mit ihrer gegenwärtigen Theorie des Geistes zu
tun haben …
»Sie haben
ein Gehirn, Albert, das es uns vielleicht durch seine Außerordentlichkeit erlauben
könnte, die neuronalen Korrelate des Bewusstseins zu finden, also das, was man als
›Denken der Materie‹ bezeichnet.«
»Denkende
Materie? Habe ich Sie da richtig verstanden?«
»Oder glauben
Sie, dass Geist und Materie völlig voneinander getrennte Bereiche sind?«
»Schon der
Genuss einer einzigen Flasche Schnaps könnte uns vom Gegenteil überzeugen«, sagte
ich, während man mich in eine drei Meter lange Röhre schob und das Ungetüm über
mir mörderisch zu vibrieren begann. »Trotzdem ist die Rückführung des Geistes auf
bloße Materie, wie es die Materialisten wollen, nicht wirklich zwingend.«
»Interessanter
Standpunkt«, sagte Professor Bullet. »Reden Sie ruhig weiter während der Untersuchung.
Wie kommen Sie zu dieser Überzeugung?«
»Lassen
Sie mich dazu einen unserer zeitgenössischen Theoretiker zitieren:
›Wie ist
in einem physikalischen Universum die Entstehung von Bewusstsein möglich? Kann man
sich überhaupt vorstellen, dass so etwas wie bewusstes Erleben auf der Grundlage
physikalischer Vorgänge entstehen konnte? Sind subjektives Empfinden und das Entstehen
einer Innenperspektive überhaupt als Bestandteil der natürlichen Ordnung der Dinge
denkbar – oder werden wir an dieser Stelle mit einem endgültigen Mysterium konfrontiert,
mit einem weißen Fleck auf der Landkarte des wissenschaftlichen Weltbildes, der
vielleicht aus prinzipiellen Gründen immer ein weißer Fleck bleiben muss? Das Problem
des Bewusstseins bildet heute – vielleicht zusammen mit der Frage nach der Entstehung
unseres Universums – die äußerste Grenze des menschlichen Strebens nach Erkenntnis.
Es erscheint deshalb vielen als das letzte große Rätsel überhaupt und als die größte
theoretische Herausforderung der Gegenwart.‹«
»In der
Tat, so muss man es wohl sehen«, bestätigte Professor Bullet.
»Und Sie
haben nicht zufällig eine Erklärung für dieses mysteriöse Etwas von Bewusstsein
auf Lager, Albert?«, erkundigte sich Doktor Carlsen. »Wir sind nämlich sehr beeindruckt
von Ihrem Interview im TIME Magazine – ich zitiere: ›… dass sich das Universum durch
unser milliardenfaches menschliches Bewusstsein selbst betrachtet. Wenn wir unsere
Wahrnehmung dem Universum zurechnen und das Gesehene ebenfalls, dann schaut es sich
durch unsere Augen an. Und dabei genießt es sich auch noch – nämlich in Form von
billionenfachen Werterfahrungen durch
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