Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Abschied ein Lunchpaket und einen geflochtenen
Strohstern mit einer Miniatur der Heiligen Mutter Gottes mitgegeben. Das Amulett
habe seiner Mutter einmal das Leben gerettet.
Auf dem
Weg zum Taxi wandte ich mich noch einmal nach seinem Haus um. Seine Dobermänner
standen auf dem Hügel und blickten mir mit gespitzten Ohren nach. Rolo kam schwanzwedelnd
den Hang hinunter und sah irgendwie traurig drein. Ich tätschelte seinen Kopf und
schob ihn sanft zurück.
Einen Augenblick
später stiegen aus dem Schornstein weiße Rauchwolken auf, fast schon wie bei einer
Papstwahl die Rauchzeichen aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle.
Ich habe
nie erfahren, ob es das neue Buchmanuskript Troussons war und ob der weiße Rauch
bedeutete, dass er auf seine Veröffentlichung verzichtete.
Der Text,
den ich damals in der Hand hielt, ist bis heute nicht erschienen.
Im Vatikan
Als ich in Rom eintraf, konnte ich
mir nur noch eine winzige Kammer leisten. Aus irgendeinem Grunde fiel ständig der
Strom aus oder wurde aus Sparsamkeit abgedreht. Im Korridor gab es einen Lichtschacht,
damit man nicht über ausrangierte Möbel und Matratzen stolperte. Aber selbst Max
Planck wären Zweifel gekommen, ob es sich bei dem trüben Etwas hinter den Milchglasscheiben
wirklich um Lichtquanten handelte.
Die Wirtin
war fast blind, doch ihre Finger ertasteten den Wert von Banknoten auch ohne Licht.
Sie fragte, ob ich Russe sei, was ich wahrheitsgemäß verneinte. Worauf sie erwiderte,
dass dies den Preis der Bruchbude von 80 auf 70 Euro vermindere, da sie Kommunisten
nicht ausstehen könne.
Ich erkundigte
mich, warum Rom so teuer sei, und sie antwortete: »Wegen der Nähe zum Heiligen Vater.«
Aus den
Kübeln in der Gasse stieg Geruch von faulem Obst und Fischabfällen auf und an den
Leinen vor meinem Fenster flatterte Wäsche. Eine Frau mit Oberarmen so dick wie
Elefantenbeine winkte mir vom gegenüberliegenden Balkon aus zu. Sie steckte ihren
Mittelfinger durch einen Kreis, den sie mit Daumen und Zeigefinger gebildet hatte.
Ich gab
ihr zu verstehen, dass ich ihr Angebot gern annehmen würde.
Weil ich
dabei leichtsinnig meinen Kopf aus dem Fenster steckte, bewarfen mich Kinder in
der Gasse mit faulen Apfelsinen.
Ich rief
auf Italienisch: » PIATTOLAS!« – was so viel heißt wie: Filzläuse! Kletten!
Nervensägen!
Darauf bombardierte
ein Hagel matschiger Tomaten mein Fenster …
Also ließ
ich vorsichtshalber die Rollläden hinunter und legte mich aufs Bett, um über meine
missliche Lage nachzudenken. Es war nicht schwer sich auszumalen wie mein Alter
darauf reagieren würde, dass ich ohne seine Tochter zurückkehrte. Daran änderte
auch mein Konterfei auf der Titelseite des TIME Magazine nichts. Mit Ruhm kann man
nicht einmal italienische Kakerlaken beeindrucken, und davon gab es gleich drei
in meinem Zimmer. Sie hielten Wache vor dem Bett und rannten immer nur nervös hin
und her, wenn ich das Licht einschaltete oder mit den Zehen wackelte.
Am Vormittag
ging ich zum vereinbarten Café in der Via del Falco, wo mich ein deutschsprachiger
Pater namens Hans Gulliver abholen sollte, um mich in die Privatbibliothek des Papstes
zu bringen. Der Preis für eine Dose Cola betrug acht Euro 50. Also genehmigte ich
mir lieber einen Schluck Leitungswasser. Die Leitung im Waschraum vibrierte wie
bei einem schweren Erdbeben, dann kam ein Strahl rostiger Brühe. In dieser Stadt
weiß man eben immer, was man seinen mittellosen Gästen schuldig ist.
»Wenn Sie
nichts verzehren, Signore, kostet das Händewaschen zwei Euro«, sagte der Kellner,
als ich an der Theke vorüberging.
»Danke,
hab nur einen Schluck Leitungswasser getrunken.«
Er warf
mir einen abschätzigen Blick zu, als sei Touristen alles zuzutrauen.
Glücklicherweise
fuhr in diesem Moment Monsignore Gulliver in einem Citroën mit offenem Verdeck vor.
Seine Soutane flatterte im Wind.
»Schnell,
steigen Sie ein«, sagte er. »Wir sind spät dran.«
Er war ungewöhnlich
mager und unter seinen Augen zeichneten sich tiefe Ringe ab. Wahrscheinlich, weil
er die ganze Nacht in der Bibel gelesen hatte.
Nach kurzer
Zeit hielten wir vor einem zweiten Café. Von hier aus konnte man bereits die Piazza
San Pietro sehen. Es war wie eine konspirative Verschwörung. Wir stiegen aus und
sofort kam ein amerikanisch aussehender Mann mit dunkler Sonnenbrille aus dem Eingang
und bat uns durch eine Toreinfahrt in einen Innenhof, wo sich ein weiteres Café
befand.
»Winston
Copp vom TIME Magazine«, sagte
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