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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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den Kaugummi von einer Backentasche in die andere wandern lässt. Seine makellosen Zähne blitzen. Als ich das mit der Scheibe endlich geregelt habe, beugt er sich ein bisschen tiefer und knurrt, seine Nase fast an meiner Nase: »Du fährst«, mit drohendem Unterton, »alles klar, Alter?«, worauf er keine ehrliche Antwort erwartet, sich ein wenig aufrichtet und mir ein Post-It auf die Stirn pappt. Ich fühle mich dadurch sehr despektierlich behandelt und würde am liebsten eine Schnute ziehen, kann mich aber beherrschen. Der Typ ist nicht von hier, denke ich mir, obwohl seine wortkarge Art dem Siegerländer an sich ja eigen ist. Ein Siegerländer wäre mir aber nicht so vertraulich dicht auf den Pelz gerückt, so meine Einschätzung. Er richtet sein Jackett und lässt meinen Blick auf seine Knarre fallen – keine Ahnung was für ein Fabrikat das ist. Wäre das jetzt ein Film und man selbst Detektiv Marlow, würde man Magnum, Smith & Weston oder Derringer sagen, aber irgendwie bin ich hier in was reingeraten, das ich nicht wirklich im Griff habe, geschweige denn, dass ich mit Erfahrungen in diesem Metier aufwarten kann. Ich glaub ich sitz in der Scheiße – entschuldigen Sie den Ausdruck – wenn auch in einer ergonomisch für den sportlichen Fahrstil geformten und nachträglich mit schwarzem Glanzleder bezogenen. Ich nicke ähnlich wie ich gegenüber dem falschen Hasen genickt habe, meine ich. In Wahrheit denke ich nur, dass ich nicke, ich bin starr wie eine Bahnschwelle und erst als der Typ mit breitem, wiegendem Gang hinter der nächsten Säule verschwunden ist, bin ich in der Lage das Fenster zu schließen und den Motor zu starten. Ein Blick in den Rückspiegel verrät mir, was ich bereits ahnte. Mit so einem gelben Zettel auf der Stirn sieht man ganz schön dämlich aus. Verärgert, ja – als Trottel gebrandmarkt, rupf ich mir die Notiz, eine Handynummer, vom Kopf und werfe sie achtlos Richtung Beifahrersitz. Die äußere Hülle ist wieder hergestellt und das sonore Blubbern des 188 PS starken Boxers entschädigt und trägt zur Krampflösung bei.
     
    Eine Art Automatismus setzt ein, sobald Mann an einem Steuer sitzt. Ich schalte, lasse sanft die Kupplung kommen und mit von mir ungewollt quietschenden Reifen sprintet der 911er aus der Ausfahrt. Einige schwarze BMW’s rauschen mir entgegen, sieht irgendwie offiziell aus, registriere ich kurz im Vorbeifahren. Bei knapp 5000 Umdrehungen übertönt das Brüllen der sechs Zylinder mein eigenes Fluchen und ich schalte in den dritten Gang. Als ich alle mir zur Verfügung stehenden Fäkalwörter in Deutsch und Englisch aus meiner wirren Gedankenwelt ins dunkelrote Interieur der edlen Karosse entlassen habe, geht es mir langsam besser. Die Motorengeräusche wirken beruhigend auf meine Nerven. Stadtauswärts gerate ich in den beginnenden Feierabendverkehr. Da nützen die stärksten Pferde nichts, wenn alle stehen, stehe auch ich. Baustellenampel – und vor mir ein Traktor. Wer hat dir denn erlaubt jetzt hier rum zu kriechen? Meine Ereiferung könnte ich ebenso gut für mich behalten, es bringt ja nichts. Endlich, der Traktor biegt ab und mit Ach und Krach rausche ich bei dunkelgelb über die Ampel. In 6,8 Sekunden von 0 auf 100, ich bin begeistert, für einen Moment, denn das Verkehrsleitsystem Richtung Autobahn gemahnt mich 60 km/h zu fahren. Strategisch günstig liegt die Stadt nahe der Autobahn und man ist schnell am Ziel in allen Himmelsrichtungen. Der Starenkasten vor der Brücke ist passiert und ich pfeif auf die Geschwindigkeitsbegrenzung. So kenn ich mich gar nicht. Ich fahre noch eine rasante Kurve und schon bin ich auf der A 45. Was mir als alten Renault-Fahrer als gar zu fremd erscheint, daran gewöhne ich mich schnell. Vor mir auf der linken Spur spritzen die Autos nur so zur Seite, sobald der Porsche in deren Rückspiegel auftaucht. Klasse! Ich verlasse die Mittelgebirgslandschaft, quäle mich durchs Ruhrgebiet, folge einer Umgehungsempfehlung, stehe auch mal still, doch selbst das Staugefühl in einem 911 ist besser als in meinem ehemaligen Kleinwagen. Kurz vor der Grenze ertappe ich mich einmal dabei, wie ich den Blinker links setze, als ein Audi 100 nicht gleich vor mir nach rechts einschert. So ein Sportwagen versaut bestimmt den Charakter. Platz da, jetzt komm ich. Sanfter Mann mutiert zum Rüpel.
    Ich passiere die Grenze und muss den Blei gewordenen Fuß ein wenig vom Gas nehmen. Im Rausch der Geschwindigkeit und dem Zwang zur Konzentration habe

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