Einzelkaempfer
Schein einer Straßenlaterne, dass hier das Parken erlaubt ist. Ich habe noch nie erlebt, dass Autodiebe mit einem Abschleppwagen arbeiten und überlege, ob ich dorthin laufen soll, um die Sache aufzuklären. Doch was sollte ich aufklären, ich weiß ja nichts. Nur, was wird mir geschehen, wenn der voll entspiegelte und bewaffnete Kerl mir nachsetzen wird, wenn ich ohne das Auto zurückkomme. Wie sollte ich das überhaupt, oh shit! Rund vierzig Euro habe ich in meiner Tasche, nicht genug für eine Flucht, die in irgendeinem Staat endet, die kein Auslieferungsabkommen mit der BRD hat. Ich könnte auf einem Frachter anheuern ... Warum haben Sie in dem Moment nicht die Polizei gerufen, fragt der nervige Advokat, der immer noch nicht kapiert hat, dass es derzeit aus meiner Sicht keinen Sinn ergibt.
Ich beschließe an dem Abschleppwagen dran zu bleiben. Ich darf den 911er nicht aus den Augen verlieren. Was, wenn das zum Plan des falschen Hasen gehört und er mich mitsamt seines Kumpans gar nicht zurück erwartet? Warum geht der Kofferraum nicht auf? Was verbirgt sich dort? Bilder von Leichenteilen in Gefrierbeuteln kommen mir in den Kopf. Ohohoh, jetzt mach mal halblang. Ein Toter am Stück würde jedoch nicht in den Kofferraum passen. Ein Porsche ist schließlich kein Passat. Schluss mit den Spekulationen, bleib bei der Sache Heiner, mahnt mich mein damaliger Lehrer für technisches Zeichnen, der stark lispelt. Mir ist, als träfe mich sein Speichel ins Gesicht und tatsächlich setzt ein leichter Sprühregen ein. Suchend blicke ich mich um, denn zu Fuß würde ich nicht allzu lange hinter dem Abschleppwagen herkommen. Sie sind in den Niederlanden, da wird doch irgendwo ein Fahrrad rumstehen, schlägt der Rechtsverdreher in meinem Kopf vor. Aha, so langsam denkt der Advokat mit und er soll Recht behalten. Etwa zehn Meter rechts von mir steht ein altes Herrenrad, 1-Gang mit Rücktritt wahrscheinlich, aber in der Pedale bin ich topfit, in meinem Element und hier auf dem platten Land werde ich die Verfolgung aufnehmen können. Hoffentlich ist das Fiets nicht angekettet, so wie der Porsche jetzt auf der Ladefläche. Ich habe Glück, denn der alte Drahtesel ist nicht angeleint. Der zweite Mann steigt ein, ich besteige das Rad, das hinten ein bisschen mehr Luft gebrauchen könnte. Der Abschlepper kommt in die Gänge, ich in die Pedale. Mein Abstand zum Zielobjekt beträgt rund 20 Meter. Wohlan!
13
Wir fahren vorbei an riesigen Frachtkähnen, kleinen abgehalfterten Schleppern, Rundfahrtbooten, die vor Anker liegen, gefegten Kontainerstellplätzen und gammeligen Wellblechhallen. Das Gefühl verfolgt zu werden, lässt mich die ganze Zeit über nicht los. Hin und wieder werfe ich einen schnellen Blick hinter mich, doch es ist kein Fahrzeug in der Dunkelheit auszumachen. Also konzentriere ich mich auf den Abschleppwagen vor mir, der mit schätzungsweise 30 Stundenkilometer durch den Hafen scheppert. Meine Beine fühlen sich nach 10 Minuten trampeln mit dem halbplatten Herren-1-Gang-Rad leicht bleiern an. Die Muskeln in den Oberschenkeln sind bretthart unter der jetzt vom Spritzwasser und leichtem Nieselregen nassen Jeans. Nieselregen, wie in der Heimat. Ich lecke mir das rußig schmeckende Nass von den Lippen und aus dem Bart, denn ich habe das Gefühl, ich würde vertrocknen, solch ein Durst plagt mich. Meine Zunge fühlt sich so dick an, dass ich sie bisweilen raushängen lasse, da der Platz im Mund nicht auszureichen scheint. Hoffentlich haben wir das Ziel bald erreicht und ich muss nicht bis Belgien oder bis zum Nordostpolder im Ijsselmeer hinter dem Wagen herradeln.
Eine Rundfahrt durch den weltgrößten Hafen hätte ich mir anders gewünscht. Wie ein Blasebalg füllen sich meine Lungenflügel und mit verhaltenem Prusten presst meine Bauchmuskulatur den verbrauchten Atem als kleines Wölkchen sichtbar in die Abendluft. Der Abschlepper bremst langsam ab, ich atme auf und hoffe inständig, dass es nicht gleich mit erhöhtem Tempo weitergeht. Man kommt nach einer kurzen Pause schlecht wieder in den Tritt, so meine Erfahrung. Mein Observationsobjekt hält unter einer flackernden Straßenlaterne. Ich steuere das Fiets hinter einen parkenden, verbeulten, babyblauen Ford Transit und spähe aus sicherer Entfernung zum Abschleppwagen. Der krummbeinige Beifahrer steigt aus und rennt geduckt zu einer Halle. Mit einer schnellen Bewegung betätigt er einen Mechanismus. Lautlos gleitet ein großes Tor himmelwärts, wie ein
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