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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Hier stehen zu bleiben wäre sinnlos, ich würde bis zum Ende dieser Regalreihe gehen müssen, um in den nächsten Gang zu gelangen. Ein weiteres Hochregal und eine Freifläche trennen mich von der Fässerwand. Das schummrige Licht reicht gerade so aus und ich schätze den Weg bis ans Ende des Regals auf ungefähr acht Meter. Ein bisschen sicherer jetzt laufe ich bis dorthin, ducke mich ein wenig und überquere den sauberen Gang, der soviel Platz bietet, dass zwei Stapler locker aneinander vorbei fahren können.
     
    Autoteile, Felgen, Auspuffrohre und ganze Motorblöcke liegen vor mir in Reih und Glied auf den Regalböden. Was das wohl alles wert ist, schießt mir die derzeit unwichtige Frage durch den Kopf. Die Stimmen schwellen an. Die Männer scheinen sich in der Landessprache zu streiten, ich verstehe jedoch kein Wort. Drei verschiedene Stimmen quasseln wild aufeinander ein. Plötzlich Stille, entweder ist man sich einig geworden, oder ein Machtwort ward gesprochen. Murrend macht sich die Besatzung des Abschleppers daran, den 911er von den Halterungen zu befreien, vorsichtig lassen sie ihn in die Halle gleiten. Ein Mann, ganz in schwarz gekleidet, knackt den Porsche mit einem stabähnlichen Werkzeug, das er ins Schloss steckt. Es ploppt und die Fahrertür lässt sich öffnen. Der Mann setzt sich hinein, wobei seine langen Beine draußen bleiben und beginnt das Wageninnere abzusuchen. Jetzt taucht er in den Beifahrerfußraum, so dass seine Füße vom Boden abheben und locker zu schweben scheinen. Mein Blick saugt jedes Detail seiner markanten Stiefel in mein Gehirn und ich versuche einen Vergleich für das Gesehene zu finden. Mir fallen die Grufties ein, die früher in der Disco Arm in Arm in einer Reihe im Einheitsschritt, mit wehenden schwarzen Mänteln, bleichgesichtig zu den Beats von Bands wie INXS oder Sisters of Mercy über die Tanzfläche sprangen, Pogo. Ganz klar, die Fußbekleidung des ›Man in Black‹ weist Ähnlichkeit mit den spitzen, schwarz glänzenden, hoch geschnürten Lederstiefeln der weiß geschminkten Untoten auf.
     
    Hinter mir höre ich ein Geräusch und halte unwillkürlich die Luft an. Zum Glück bestand bislang zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, dass ich niesen könnte, denn ich neige nicht zu Nasenkribbeln. Das Tor ist aufgegangen. Das leise Surren und Rappeln sowie ein leichter Lufthauch verraten es. Mucksmäuschenstill klebe ich an einem Pfeiler, der das Dach abstützt und überlege fieberhaft, was ich tun soll, wenn der Neuankömmling geradewegs in meine Richtung spazieren würde. Weit und breit ist keine Deckung in Sicht. Ich schaue nach oben. Zwischen den Motorblöcken ist ein Platz leer. Wenn es mir gelingen könnte auf die zweite Ebene zu gelangen, wäre ich einigermaßen in Sicherheit und hätte einen Logenplatz. Doch was, wenn dort irgendwo ein Schräubchen herumliegt, das dann herunterrollt und mit seinem typisch unschuldigen ›Ding‹ auf den Boden tropft, noch zwei-, dreimal verspielt aufspringt, um dann vor die Füße eines Bösewichts zu kullern. Das Tor wird herabgelassen, es hakt wieder kurz und mit dem leisen Baff setzt es auf. Jemand pfeift ein Liedchen, eine Melodie, die mich an das Stück ›Spiel mir das Lied vom Tod‹ erinnert. Ich muss jetzt eine Entscheidung treffen. Denk nach Heiner, ermuntert mich die Stimme meines Lehrmeisters, der der erste Mensch in meinem Leben war, der an meine Fähigkeiten geglaubt hat. Feilen, Nuten hauen, Löten, Schweißen, keiner war darin so ausdauernd und ohne Murren am Werk wie ich. Okay, mein einziger Ausweg führt in die obere Etage. Behände wie ein Äffchen, bilde ich mir ein, erklimm ich die erste Ebene. Der nächste Turnakt würde schwieriger werden, da ich nur mit den Zehenspitzen auf dem Regalboden stehe und ich nicht so schwungvoll abspringen kann wie zuvor. Ich werfe einen schnellen Blick auf Blacky, den Mann in Schwarz, der mittlerweile auf den engen Rücksitz geklettert ist. Er wütet, entnehme ich der Tatsache, dass der Wagen unwirsch wippt. Die Melodie entfernt sich wieder. Trotzdem und weil meine derzeitige Position sehr unbequem ist, beschließe ich, die nächste Empore zu erobern. Wer weiß, der Mann könnte wiederkommen. Hauruck – ich stütze meinen Oberkörper auf den öligen Regalboden, mit den Beinen strample ich in der Luft, zapple ein bisschen hin, ein wenig her, bis es mir gelingt, meinen linken Fuß auf der Ablage vor Anker gehen zu lassen. Jetzt aber, nur noch ein kleines Stückchen den Oberkörper

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