Einzelkaempfer
vorschieben und hepp – flach liege ich auf dem dreckigen Blech und schnaufe in meinen Rolli, völlig am Ende. Mein Herzschlag trommelt und in meinen Ohren rauscht es. Wie gerne würde ich aufstöhnen.
14
Keine Sekunde zu früh kommt die Melodie um die Ecke. Im Halbdunkel und auf die Entfernung kann ich den Pfeifenden nur schemenhaft wahrnehmen. Er ruft den Männern hinter den Fässern zu: »Alles goed?« »Nee, Ad, het is niet goed.« Hatte Blacky aus dem Auto eben Ad gesagt? Die Silhouette des Angesprochenen kommt mir bekannt vor. Könnte es sein ... von hier oben kann ich das Gesicht des Mannes nicht erkennen, denn er trägt einen breitkrempigen Hut und einen langen, dunklen Trenchcoat. Nein, ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher, ob dieser Ad mein Ad vom Gespann war. Diesem Ad knickt das rechte Bein ein wenig ein, wenn er ausschreitet und seine Stimme ist irgendwie anders, mehr wie die Lilo Wanders.
Blacky steigt aus, der Unmut ist ihm anzumerken und gerade will er sich eine Zigarette anzünden, als sie ihm von seinem Kumpan aus der Hand geschlagen wird. Es folgt ein heftiger Wortwechsel auf den der Neue im Bunde mit ruhigem Ton beschwichtigend einwirkt. Ich kann derzeit nur einen der Männer sehen, da die anderen hinter den wohl brandgefährlichen Fässern stehen. Der pfeifende Mann, den ich fortan Melody nennen werde, geht jetzt auf den Wagen zu und versucht den Kofferraum zu öffnen. Es gelingt nicht, hätte mich auch gewundert, und ein weiterer Mann kommt mit Werkzeug herbei. Oh, bitte nicht kaputtmachen, schreit der 911er Liebhaber in mir auf, und nach einigen Minuten lässt sich der Deckel öffnen. »Ah«, raunen die beiden, die zwei anderen Männer beugen sich ebenfalls unter die Klappe und stimmen in den gefälligen Ausdruck ein. Einer wackelt zufrieden mit dem Kopf, wiegt ihn andächtig hin und her. Nur ich sehe nichts, rein gar nichts, außer Teile des hübschen Hecks des Wagens. Schöner Mist, meckert der Advokat, wir sind so schlau wie zuvor. Was glaubt der Rechtsgelehrte eigentlich? Meint er, mich würde das nicht am meisten ärgern? Wäre ich doch zu Hause geblieben und hätte weiter an meiner Idee einen ebay-Shop einzurichten gearbeitet. Aber nein, ich war ja zu bequem, hunderte von Carrera-Bahn-Ersatzteilen zu fotografieren, einzuscannen, zu katalogisieren und alles nur auf Basis einer Vermutung, dass damit Geld zu verdienen wäre. Außerdem kann ich mich schlecht von meinen original Carrera-Bahnen und dem umfangreichen Zubehör trennen. Falls ich sie jemals wieder sehen sollte, Zeugen meiner kindlichen Zuflucht, zeitweilig einziger Freudenspender in meinem Leben bis weit ins Teenageralter, werde ich sie alle aufbauen. Auch die Loopings! Und reparieren werde ich sie, die Kontakte, die Autos, auch die Tankstellen. Versprochen!
Die Männer stehen derweil andächtig vor dem Porsche und ich überlege, ob es eine Möglichkeit gibt, einen Blick auf den Inhalt zu erhaschen. Doch meine Lage ist sehr bescheiden, so bleibt mir keine Wahl als hier hocken zu bleiben. Abwarten, beruhigt der Detektiv in mir meine gespannten Nerven und zitiert aus seinem Handbuch: Das oberste Gebot bei einer Observierung lautet: Geduld. Das zweite Gebot lautet: Noch mehr Geduld und das dritte Gebot heißt: Du sollst nichts überstürzen. Okay, genug der Belehrungen, seid jetzt alle mal still und nervt nicht rum, übernehme ich das Kommando über meine inneren Stimmen. Verdammt, mein Arm schläft ein. Ich klemme ziemlich beengt zwischen den Motorblöcken in Embryostellung halb auf dem Bauch kauernd, auf die Ellbogen gestützt, die Knie angezogen, wie ein Häschen in der Grube. Was den falschen Hasen in mein Gedächtnis ruft, oh Mann, wenn ich den erwische – was dann, nichts dann, nichts wirst du tun, geiferte meine Ex. Was will die denn jetzt hier? Typisch, die Frau hatte immer schon das falsche Timing. Nur ein einziges Mal kamen wir zusammen und das trotz jahrelanger Übung.
Ich versuche in der Enge meine Schulter kreisen zu lassen und das Handgelenk zu drehen, um die Blutzirkulation anzuregen. Die vier Männer stehen immer noch mit zufriedenen Mienen, wie hypnotisiert vor dem Kofferraum und ihre Blicke können sich kaum von dessen Inhalt lösen. Bei Leichenteilen wäre die Reaktion sicherlich anders ausgefallen, schätze ich mal. Wenn die Typen die Stunde einhalten wollen, müssen sie sich langsam in Gang setzen. Als hätten meine Gedanken das Stichwort gegeben, befiehlt Melody mit dem Ausladen zu beginnen.
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