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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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herzhaftes Gähnen öffnet sich das große Maul, um einen Moment später das Häppchen mit dem Porsche garniert zu verschlingen. Der Abschleppwagen mit seiner wertvollen Fracht verschwindet im Dunkel des Hallenrachens. Ebenso leise wie es sich öffnete, rollt das Tor bedächtig hinab. Jetzt gilt es. Unter normalen Umständen hätte ich die Situation zunächst wohl durchdacht und dann eine Entscheidung getroffen. Doch dies ist kein normaler Umstand und meine ansonsten eher zögerliche Art steht mir im Weg. Ich bin selbst gespannt, wann ich mich aus meiner Starre lösen werde. Wie von oben betrachtet sehe ich mich hier unten unentschlossen stehen, die Sekunden tröpfeln und das Maul ist nur noch halb geöffnet. Jetzt oder nie. Ich stelle das Rad auf den rostigen Seitenständer, der sich mit einem kratzenden Geräusch hat runtertreten lassen.
     
    Wie in Zeitlupe bewegen sich meine Füße über den schmutzigen Asphalt bis zur Halle mit den Ungewissheiten. Meine Turnschuhe verursachen ein leises Schmatzen, wie sie es immer tun, wenn sie durchnässt sind. Ein Wink des Schicksals, das Tor gerät ins Stocken und ich presse mich an die Außenmauer, werfe einen schnellen Blick ins Innere. Die Luft scheint rein zu sein. Mit einem sachten Rumpeln setzt sich der Schließungsvorgang fort und ich schlüpfe geduckt ins Innere – Baff– das Maul gibt ein zufriedenes, sattes Geräusch von sich, als es sanft auf dem Boden aufsetzt. Hinter einem Palettenstapel finde ich Deckung. Was hast du gemacht? Wenn das mal gut geht. Nein, ich bin kein Draufgänger, normalerweise habe ich immer einen Plan B und einen Plan C für alle Eventualitäten im Hinterstübchen. Doch in Ermangelung an Plan A, ist das Fehlen weiterer Handlungsmöglichkeiten logisch. Es erscheint mir jedenfalls so und es trägt zu einer Art Beruhigung bei, die ich momentan nicht näher erklären kann.
     
    Der Kinderdetektiv, der ich vom achten bis zwölften Lebensjahr war, versucht mir Tipps zu geben. Ich soll immer genau gucken, wo ich hintrete und darauf achten, nichts umzustoßen, wie es die Drehbuchautoren oft den Schnüfflern in den Filmen zuschreiben, die dann entdeckt und mit einem aufgesetzten Schuss hingestreckt werden, zumindest in den amerikanisch-italienischen Streifen. Okay, Meisterdetektiv Kalle Blomquist, sei wachsam. Was ich nun zu tun gedenke, fragt mich der Advokat. Ob er einen gescheiten Vorschlag habe, frage ich zurück. Wir überlegen kurz ohne endgültiges Resultat und ich stelle die Lauscher auf Empfang. Die Halle muss weitläufig sein, denn es dringt kein Laut hinter die Paletten. Ich werde mich mit aller gebotenen Vorsicht ein wenig voranarbeiten müssen und schleiche weiter auf Zehenspitzen, weil’s dann nicht schmatzt, ins Innere, ohne die Deckung aufgeben zu müssen, denn Paletten stehen hier reichlich. So tipple ich geduckt tiefer in den Schlund, wie Otto Waalkes bisweilen über die Bretter der Bühne, nur dass ich meine Hände dabei nicht in Pfötchenstellung bringe. Rechts die Paletten, links türmen sich endlose Reihen brauner Kartons in meterhohen Regalen. Die Buchstaben auf den neonorange leuchtenden Etiketten kann ich in keinen sinnvollen Zusammenhang bringen, ich hätte in Chemie besser aufpassen sollen, lediglich das Totenschädel-Symbol darauf jagt mir einen kleinen Schauer über den Rücken. Gift.
     
    Der Hypochonder in mir möchte auf jeden Fall umkehren, Kalle Blomquist rät mir, meinen Rolli bis über die Nase zu schieben. Der Advokat belächelt meine Schutzmaßnahme, wobei so ein ganz gewisses Fältchen seinen rechten Mundwinkel umspielt. Sie wissen bestimmt was ich meine, so ein Fältchen, dessen Gradation das Gegenüber arrogant wirken lässt. Teile einer alten Fernseh-Dokumentation kommen mir in den Sinn, worin ein amerikanischer Forscher erklärt, was die Bevölkerung im Falle eines atomaren Angriffs zu tun hat: Schließen Sie die Fenster. Sollten Sie sich draußen aufhalten, suchen Sie einen Schutzraum auf oder legen Sie sich flach auf den Boden. Automatisch atme ich flacher. Links von mir höre ich leises Stimmengemurmel, rechts endet die Palettengarde, wie ein Fragment einer lückenhaften Zahnreihe. Ich spähe durch einen Spalt, der sich zwischen den Kartonagen im Regal ergibt und erkenne ganz hinten das Heck des Porsches, der immer noch auf dem Wagen verankert ist. Die Männer entziehen sich meinem Blick. Sie stehen wahrscheinlich hinter der Wand aus alten, rostigen Fässern, die sich bis fast unter die Decke stapeln.

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