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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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unbedingt kennen lernen wollte, nachdem er frisch eingezogen war. Eine Stunde lang habe ich Pfefferminztee getrunken und darüber gegrübelt, was ich sagen könnte, wenn ich bei ihm klingeln würde, bis ich mich dazu entschloss, einen Brief aus Tims Briefkasten zu zerren, nicht ohne ihn dabei erheblich zu ramponieren, um dann mit selbigem unter dem Arm bei meinem neuenHausmitbewohner zu läuten. Während sich nun wie damals die Tür langsam vor mir öffnet, erinnere ich mich daran, wie ich Tim bei unserer ersten Begegnung erklärte, der Brief sei wohl ganz versehentlich in meinem Kasten gelandet.
    »Ich habe gekündigt!«
    Tim streicht sich die abstehenden Haare aus der Stirn und lächelt. Das gleiche bezaubernde Lächeln wie damals. Das ist der Grund, warum mein Nachbar sich nicht an eine Frau binden muss. Er sieht derart süß aus, dass ihm ein Supermarkt, ach, was sage ich, eine Großwarenkette an tollen Frauen zur Verfügung steht.
    »Du hast tatsächlich gekündigt? Weil der Typ dich angegrabscht hat? Das finde ich gut. Du hast Courage.«
    Courage. Das Wort gefällt mir. Allmählich dreht sich die Welt wieder in altbekannten Zeitzonen. Selbst die spitze Frauenstimme, die sich von hinten in meinen Rücken bohrt, gibt mir das Gefühl, wieder zu Hause zu sein.
    »Ach, Frau Lenartz. Sie bilden sich aber auch etwas auf ihre Brüste ein.«
    »Frau Sondtheim!«
    Frau Sondtheim schüttelt ihre Haarkante und drosselt unbeirrt den Gang, als sie an Tims Wohnungstür angelangt.
    »Wo wollen Sie denn hin? Wohnen Sie nicht im Parterre?«
    »Was geht Sie das an?«, antwortet sie schnippisch und nutzt die Chance, einen Blick in Tims Flur und das angrenzende Wohnzimmer zu werfen.
    »Sagen Sie, Herr Schwarzer, sind das da leere Bierdosen auf Ihrem … was ist das, ein Sofa?«
    Tim antwortet, ohne sich umzudrehen, während er die Hände in die Taschen der ausgefransten Jeans rutschen lässt.
    »Ja. Bierdosen und Sofa.«
    Unsere Nachbarin stöhnt, verdreht die Augen und zieht auf dem Weg nach oben ihre Bluse am Saum über den Rock. Nachdem sie sich mindestens zwei Stockwerke gen Dachboden gewendelt hat, äfft Tim ihren steifen Gang und das in die Höhe gereckte Kinn nach, bis ich wieder auf dem Boden meiner einiger Änderungen unterworfenen Lebenssituation lande.
    »Ich habe gekündigt, weil Herr Zwerger nicht einsehen wollte, dass er einen Fehler gemacht hat.«
    »Auch wenn deine Nase sich vor Unruhe kräuselt, es war eine gute Entscheidung.«
    »Danke.«
    »Magst du reinkommen?«
    »Ich muss noch was erledigen.«
    »Okay. Aber wenn du Sehnsucht hast, weißt du ja, wo du mich findest. Ich bin bis vier Uhr hier und danach in der Volkshochschule, um den Handybedienungskurs für Senioren zu geben.«
    »Hm. Vielleicht sollte ich es damit auch mal versuchen.«
    »Na ja. Wenn ich daran denke, dass du mich gestern gefragt hast, wie man Apps herunterlädt und mit dem Handy Videos dreht, empfehle ich, du schickst einfach noch ein paar Bewerbungen raus.«
    »Das ist doch albern. Natürlich weiß ich, wie man Videos dreht. Ich habe erst letztlich eins auf der Domplatte aufgenommen, als ich glaubte, Tim Burton in der Masse zu erkennen. Willst du es sehen?«
    »Bis später, Anna.«
    »Hm. Gut. Bis später.«
    *
    In der Wohnung angekommen, streife ich die Schuhe von meinen Füßen und blicke auf die Uhr neben dem Küchenschrank. Kurz nach zehn. Die perfekte Zeit, um damit anzufangen, Martini zu trinken. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ich heute, an einem Montagvormittag, rein gar nichts zu tun habe. Wie lange ist das her? Zu lange. Ich lasse mich mit dem Martiniglas aufs Sofa sinken und beginne zu genießen. Einzig das Interview von Susan Winter muss ich heute noch einreichen.
    Jawohl.
    Ich habe nicht vor, auf einen Job zu verzichten, nur weil irgendjemand denkt, er könne nicht mit mir zusammenarbeiten. Entschlossen kippe ich den Drink runter. Was bildet dieser Moritz sich eigentlich ein? Man könne nicht mit mir zusammenarbeiten; so etwas habe ich noch nie gehört. Das schränkt seine Kreativität ein, oder was hatte er noch gesagt? Absolut albern.
    Am besten, ich drucke das Interview sofort aus. Nach einem weiteren Glas Martini, bei dem ich mich über diesen Stinkstiefel von Moritz sowie über den Stinkstiefel von Herr Zwerger aufregen kann.
    *
    So. Vier Martini später fahre ich den Computer hoch. Mittlerweile ist es weit nach Mittag sowie weit nach nüchtern, wie ich mit dem Blick auf den Bildschirm feststellen muss. Dafür

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