Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
in den Urlaub, so wie früher. Wie wäre es mit einem romantischen Winterurlaub. Anna, was fährst du noch? Ski, Snowboard oder Langlauf?«
»Tüte.«
Lena, die sich bis jetzt der Situation entzogen hatte, lässt den Kochlöffel in die Tomatensuppe fallen und dreht sich zu Christina um. »Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst«, antwortet sie höflichst, während sie sich die Haare hinter den Ohren glatt streicht.
»Aber ich … warum ich eigentlich hier bin …«
Astrid unterbricht Christina weitaus weniger höflich als Lena zuvor mit einem rüden Griff an ihren Oberarm.
»Geh jetzt, bitte.«
»Aber wir haben doch mal geschworen, dass unsere Freundschaft alles aushält!«, ruft Christina, während Astrid sie in ihrer pragmatischen Art durch den Wohnungsflur schleift. Im Türrahmen bleibt sie noch einmal stehen und dreht sich zu Lena und mir um.
»Ich brauche euch.« Ihre Stimme vibriert ungewollt. »Gerade jetzt. Ich muss euch etwas sagen.«
»Ich denke, wir müssen dir auch etwas sagen. Wir brauchen dich nicht mehr. Das ist Freundschaft.«
*
Lena tupft sich die Pastareste aus dem Mundwinkel und lächelt Astrid zu, die in weißem Rauschekleid mit Schleier und einem Bund Chilischoten, der als Brautstrauß fungiert, vor dem runden Küchentisch auf und ab schreitet, oder sich zumindest darin versucht, während ich zum Rotwein greife, um mich von Christinas Erscheinen zu beruhigen.
»Ich heirate, Mädels!«, ruft Astrid aus und sinkt wie überwältigt in den Berg aus Kleid auf die Küchenfliesen. »Das haut einen doch wirklich um.«
»Das ist ein Grund zur Freude, wie ich annehme?«, entgegne ich provokant und werde prompt von Lena mit einem bösen Blick über die Pastagabel hinweg bestraft.
»Anna, du bist nur frustriert wegen Frederik.«
»Bin ich nicht. Ich bin über ihn hinweg. Aber Christina habe ich nicht verziehen. Über sie bin ich nicht hinweg.«
Ich stocke kurz, während Astrid ihren Kopf neigt, so dass der vorläufig drapierte Schleier über ihre krausen Locken zur Seite rutscht.
»Und ich frage mich tatsächlich langsam, warum alle immer heiraten wollen, sobald sie über dreißig sind. Die meisten lassen sich ja eh mit vierzig wieder scheiden. Ich meine, da können wir doch gleich einfach bei einem drei- bis vierjährigen Beziehungshobbing bleiben und das Geld für Hochzeit und Scheidung in irgendetwas Grundsolides investieren.«
»In etwas Grundsolides?« Astrid schiebt sich den Schleier wieder in die Mitte des Kopfs und zupft etwas an ihrem Ausschnitt, damit sie weiterhin in dem engen Kleid Luft bekommt.
»Ja. Zum Beispiel in Socken. Mal ehrlich, Mädels, könnt ihr euch ein Leben ohne Socken vorstellen?«
»Anna, du schlägst tatsächlich vor, man solle lieber Socken kaufen, statt zu heiraten?«
Meine Freundinnen kichern, bis Lena langsam verstummt. In bedachter Geste legt sie sich die über die Schulter gefallenen Haare zurück auf den Rücken und wendet sich an Astrid.
»Astrid, bitte, lass dir von Anna nichts einreden. Die Ehe ist etwas Wunderschönes und Heiliges. Ein kleines Stück Sicherheit, ein Ort, an den man immer wieder gern zurückkommt, auch wenn man ganz großen Unsinn gemacht hat, von dem man selbst nicht weiß, wie es dazu kommen konnte, wie zum Beispiel mit einem fremden Mann geschlafen zu haben.« Lena unterbricht sich, und beginnt einpaar imaginäre Fussel von ihrem Bleistiftrock zu entfernen. Ich blicke von ihr zu Astrid, die nun schließlich die Zurechtrückung ihres Schleiers aufgibt und Lena mit großen Augen anstarrt.
»Das kann doch nicht wahr sein? Hast du … ich meine, weiß Thomas davon?«
Nun zieht Lena an ihrem Kragen.
»Anna hat gesagt, ich solle meine Affäre mit Patrick auf jeden Fall für mich behalten.«
»Du hast davon gewusst?«, richtet sich Astrid an mich, wodurch ihr Kleid in Wallung gerät und eigenartige Geräusche produziert.
»Affäre?«, richte ich mich wiederum an Lena.
Astrid reißt sich den Schleier vollends vom Kopf und schiebt sich umständlich vom Boden hoch.
»Wieso habt ihr einen Patrick und einen Alex und ich soll Sebastian heiraten?!«
»Moment mal, Moment mal!«, unterbreche ich Astrid. »Ich dürfte mit Alex schlafen und mit Tim, wenn ich wollte. Lena hingegen durfte mit diesem Patrick keinesfalls sexuell aktiv werden. Außerdem, was soll das? Du hast mir gesagt, dass du einmal mit ihm in der Kiste warst und dass es sich NICHT wiederholen wird.«
Lena greift zum Weinglas, als wolle sie die folgenden Worte
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