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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Geschäft, sagte man. Auf diese Belebung hätte Samanða gerne verzichtet.

    Eine Stunde bevor die Markthalle schloss war sie zum Bersten gefüllt. Es waren nicht die liebsten Kunden der Kaufleute. Zerlumpt waren sie, schmuddelig und armselig, hartnäckig im Feilschen, auch wenn es oft vergeblich war und sich kaum lohnte. Sie kamen vom Hafen und aus den Arbeitervierteln den eisigen Berg heraufgezogen. In der Hoffnung, der eine oder andere Händler würde seine verderbliche Ware lieber preiswert verkaufen, als sie wieder einzupacken, fanden sie sich ein. Dazwischen schlurften Bettler mit klappernden Büchsen in halb erfrorenen Fingern. Andere Besucher versuchten, deutlich unauffälliger zu sein. Auch wenn es in ihrer Absicht lag, dass in dieser Nacht etwas den Besitzer wechseln sollte, stand ihnen nicht der Sinn danach, etwas zu kaufen. Die uniformierten Gesetzeshüter wiederum schwangen ihre Knüppel, betont bereit, diese sofort einzusetzen. Sie blickten auf jeden herab, der ihnen verdächtig vorkam. Das galt zu dieser Stunde für so ziemlich alle Anwesenden.
    Samanða und die Ihren waren definitiv verdächtig. Sie taten gut daran, den Kopf unten zu halten. Schon bevor sie die Markthalle betraten, teilten sie sich auf. Dieses Gedränge war die beste Zeit, etwas in die Finger und in den Magen zu bekomme. Nicht immer musste man dazu einen Händler bestehlen. Manchmal fiel etwas aus der Tasche eines Kunden und ging verloren. Manchmal musste man nachhelfen: sowohl, dass es herausfiel, als auch, dass es in der eigenen Tasche verlorenging.
    Samanða zog allein los. Scheinbar ziellos schlurfte sie durch die Gänge; ohne stehenzubleiben, beäugte sie die schwindenden Auslagen der Händler, inspizierte die Gürtel und Taschen der Besucher, wartete auf den richtigen Augenblick. Vielleicht gelang ihr heute ein richtig großer Coup. Etwas, mit dem sie der Bande klar machte, dass sie – und nur sie – die Anführerin war und sein konnte, dass sie keine Träumerin war, der das Erreichen der Ziele versagt blieb, keine Verliererin, die früher oder später in Madames Salon um Anstellung bat.

    Die erste Entdeckung war wenig bemerkenswert. Eine Rübe lag im Schmutz, sie sah runzlig und mickerig aus, außerdem mussten die Leute sie schon durch die Gänge getreten haben. Samanða war nicht anspruchsvoll. Die Rübe lag unter dem Karren eines Fischhändlers, der mit einer dünnen, schrillen Stimme, die so gar nicht zu seiner massigen Statur passte, seine streng riechende Ware anpries.
    Samanða trat zur Seite, schob sich zwischen den Karren und den Stand eines Bäckers, ging in die Knie und hob die Rübe auf.
    Sofort meldete sich eine keifende Stimme zu Wort: „Was hast du da? Gib her!“ Der Fischhändler lehnte sich über seine Auslage und starrte zu ihr herunter. „Zeig her!“, herrschte er sie an. „Was hast du gestohlen?“
    Das war das Zauberwort! Sofort wandte sich ein Dutzend Gesichter dem Gekeife zu.
    „Nur eine alte Rübe“, sagte Sammy leise und zeigte ihren Fund. Wenn sie jetzt abhaute, war das ein Schuldeingeständnis, und außer einer vergammelten Rübe würde sie heute nichts mehr erbeuten können. „Sie lag auf dem Boden …“
    „Gib her! Ist meine!“, rief der Händler.
    „Aber du verkaufst doch gar keine Rüben!“, verteidigte sich Sammy, „und die ist ganz schmutzig und …“
    Wieder konnte sie nicht ausreden.
    „Du hast sie wohl runtergeschmissen! Gib jetzt her, Lumpenmädel!“
    „Nenn mich nicht so!“
    „Wie soll ich dich sonst nennen? Langfinger? Diebespack?“
    „Ach, lass sie doch“, mischte sich der Bäcker ein. „Lass ihr die dreckige Rübe. Das armselige Ding würde garantiert nie bei dir auf dem Teller landen!“
    Einige Passanten lachten. Andere brummten zustimmend. Das Blatt schien sich zugunsten Samanðas zu wenden.
    Das schien auch der Fischhändler zu merken. Er grinste böse und hob die Stimme: „Wache! Ich habe hier einen Dieb! Schnappt sie euch und walkt sie ordentlich durch!“
    Samanða wartete nicht ab, ob sie von den Passanten oder dem Bäcker weiteren Beistand bekommen würde. Sie warf dem Fischhändler die Rübe an den Kopf und machte sich davon. Keiner der Passanten hielt sie auf.

    Zwei Gänge weiter bremste sie ihre Schritte und ließ sich wieder mit der Menge treiben.
    Sie war wütend!
    Scheißrübe!
    Sie brauchte etwas, das sich lohnte.
    Etwas, das die ganze Bande für mindestens eine Woche statt machte.
    Etwas, das Frieder in die Schranken wies und am besten auch

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