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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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kleinen, braunen Menschen nur bis zur Brust, und wahrscheinlich musste man vier von ihnen zusammenbringen, um ihn aufzuwiegen.
    Er wischte mit der Hand etwas Honig vom ausladenden Bauch oder besser, verteilte ihn im rotblonden Bauchhaar. „Vielleicht auch fünf“, dachte er. Die letzten Wochen ohne Heuer hatten ihn fett und träge werden lassen. „Also – noch fetter“, dachte er schmunzelnd und leckte den Honig vom Finger.
    „Scheißverdreckter Mist, elender!“, brüllte er im nächsten Augenblick, als der Honig seinen maroden Zahn erreichte und stampfte auf den Boden.
    Ein älterer Mann mit langem Bart und einem Turban auf dem Kopf zog seinen kleinen Sohn hinter sich und legte die Hand auf ein gebogenes Messer, das in seinem Gürtel steckte.
    Tindwerch hob beschwichtigend die Hand, öffnete den Mund und zeigte auf seine Schneidezähne. „Da! Tut weh!“
    Er redete besonders laut, denn er vermutete, dass die Fremden kein Deutsch sprachen. Mit Friesisch brauchte er es auf Chinesisch-Java gar nicht erst zu versuchen. Also legte er bedeutsam seine Hand auf die Wange und verzog das Gesicht.
    Nun begriff der Mann. Er nickte und sagte etwas in der singenden Sprache zu seinem Sohn, der ängstlich dreinblickte, sich dann aber doch zu Tindwerch traute und ihm winkte. Der Bursche war höchstens sechs, barfuß und rotznäsig, aber seine kurze Stoffhose war blütenweiß.
    „Triemackasieh“, sagte der Friese zum Vater. Er vermutete, dass das danke auf Indonesisch hieß, und da der huldvoll eine Hand hob und den Kopf senkte, lag er damit wohl nicht so falsch. Dann ging er hinter dem Kind her, das sich immer wieder umsah und winkte, als müsse man befürchten, dass Tindwerch sich zwischendurch zu einem Nickerchen hinlegte. Er grinste. Er war dick, aber nicht faul.
    Es ging durch die engen Gassen des Basars, die mit Ständen aus Holz und Tuch vollgestopft waren. Andere Händler kauerten einfach auf dem Boden und hatten Säcke mit Getreide und Gemüse vor sich aufgestellt. Eine alte Frau, deren Zahnruinen Tindwerch einen Schritt schneller gehen ließen, als sie ihn anlächelte, bot sogar lebende Aale aus einem mit brackschwarzem Wasser gefüllten Eimer an.
    Schließlich blieb der Junge stehen und zeigte auf einen schmalen Aufgang, der sich zwischen zwei Häuserwänden bis zu einem Eingang im zweiten Stock erhob. Tindwerch linste hinauf. „Da droben sitzt der Zahnreißer?“
    Der Junge nickte, zeigte auf seine Wange und machte dabei ein so gepeinigtes Gesicht, dass Tindwerch auflachte. „Hier, ich werde das wohl eh nicht mehr essen heute.“
    Er reichte dem Jungen das Gebäckstück, und der nahm es glücklich entgegen. „Nu lauf, du Hosenscheißer!“
    Tindwerch machte sich an den Aufstieg, aber als er den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte, blieb er mit den Schultern zu beiden Seiten an den Häuserwänden hängen. Er drehte sich mit einem Fluch zur Seite. Wenn er den Bauch einzog, passte er gerade eben die Stiege hinauf. So schob er sich also wie eine Krabbe seitwärts. Wenn er Luft holte, schabte sein Bauch über die Seite des Hauses vor ihm, und der Kalk vermischte sich mit dem Honig zu einer weißen Schicht.
    Er war noch drei Meter von der Tür entfernt, da kam eine junge Frau heraus. Sie trug einen Tropenhelm, braune Safari-Kleidung und hatte ein Gewehr über der Schulter.
    „Ne!“, japste Tindwerch. „Echt nicht! Da gehst du jetzt mal zurück, Mädel! Gute Manieren hin oder her.“
    „I beg your pardon?“, entgegnete die Frau mit gehobenen Brauen. Ihre Haut war so bleich, dass sie noch nicht lang in Djakarta sein konnte.
    „Mach die Fliege, husch, husch!“, bedeutete ihr Tindwerch. „Back! Back!“
    Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, folgte aber seiner Aufforderung. In einem kleinen, dunklen Vorraum mit einigen Schemeln und einem aus bunten Steinen gefügten Bild eines Zahns an der Wand drückte sie sich dann eilig an ihm vorbei. Dass sie sich nicht die Nase zuhielt, war alles.
    Tindwerch ließ sich auf zwei der Schemel sinken. Sein Zahn pochte und stach, und ihm wurde leicht übel. Zum Glück hatte er nicht lange Zeit, sich seinen schlechten Vorahnungen hinzugeben, denn da öffnete sich schon die Tür.
    „Leck mich am Arsch!“, rief er verblüfft, denn der Mann, der in das kleine Empfangszimmer linste, war ebenso rothaarig wie Tindwerch, und das sah er zum ersten Mal in all den Wochen auf Java. Ansonsten aber war er das genaue Gegenteil. Wo die Haut des Friesen braun und

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