Eis und Wasser, Wasser und Eis
das sie verdient hatte, indem sie jeden Samstag ein paar Stunden im Laden von Frau Salomonsson gearbeitet hatte. Sie waren schick. Und modern. So modern, dass sowohl Inez als auch Birger die Augen verdreht hatten, als sie sie ihnen gezeigt hatte.
Sie warf schnell einen Blick auf die Uhr. Zwanzig vor acht. In fünf Minuten musste sie an der Telefonzelle sein, damit sie es noch schaffte, sich zu schminken. Dort hielt sie immer auf dem Weg zur Schule an, um ein Gesicht hervorzuzaubern, wie es sich für die Schwester eines Rockstars gehörte. Das war ebenso wichtig, wie die Hausaufgaben perfekt zu haben. Niemand sollte sagen können, dass sie nicht in genug war, um Björns Schwester zu sein, aber niemand sollte auch behaupten können, sie wäre so in, dass sie die Schule vernachlässigte. Ganz im Gegenteil. Am Ende dieses Halbjahres würde sie in allen Fächern bessere Noten haben als Ingalill. Sogar in Mathe und Chemie.
Sie hatten seit fast fünf Monaten kein Wort mehr miteinander gewechselt, obwohl sie doch in dieselbe Klasse gingen. Susanne ignorierte Ingalill, tat so, als existierte sie gar nicht, ließ den Blick möglichst schnell über sie hinweggleiten, und auch Ingalill schaute schnell weg, wenn sie aus Versehen Susannes Blick begegnete. Es war etwas still um Ingalill geworden, um es vorsichtig auszudrücken. Um bei der Wahrheit zu bleiben: Sie war vollkommen vereinsamt. Keines der anderen Mädchen stellte sich in den Pausen zu ihr, sie stand ganz allein hinten am Zaun, die Nase in einem Buch, und tat so, als läse sie äußerst konzentriert; niemand setzte sich freiwillig in der Kantine neben sie, und niemand drängte nach der Turnstunde in die gleiche Dusche wie sie. Andererseits gab es aber auch niemanden, der ihr gegenüber offen gehässig war, niemand ärgerte oder verhöhnte sie, und wenn sie mal etwas zu jemand anderem in ihrer Klasse sagte, dann bekam sie ein höfliches Lächeln als Antwort. Und das Gesicht wurde erst verzogen, wenn sie sich umgedreht hatte.
Vielleicht betrübte es sie. Das war schwer zu sagen. Susanne hatte Ingalill Stunde um Stunde von hinten studieren können, sie saß ja zwei Reihen hinter ihrem Rücken, und hatte die Zeichen registriert. Ingalills Nägel waren so weit heruntergekaut, dass die Fingerspitzen ganz geschwollen aussahen, sie hatte zugenommen und Rettungsringe angesetzt, und außerdem ließ sie sich nicht mehr die Haare schneiden und wusch sie auch nicht mehr. Zumindest sah es so aus; es kam vor, dass sie mit so fettigen Haaren zur Schule kam, dass man die Spuren vom Kamm sehen konnte. Ansonsten wirkte sie nicht besonders niedergeschlagen. Ganz im Gegenteil. Sie trug keine Röcke mehr, so wie früher immer, sondern hatte sich eine Jeans besorgt. Anfangs war sie jeden Montag frisch gewaschen und gebügelt, sie hatte sogar eine Bügelfalte, was zu Grinsen und hochgezogenen Augenbrauen hinter ihrem Rücken führte. Was sie offenbar bemerkt hatte, denn am nächsten Montag war die Jeans sauber, aber nicht gebügelt. Und letzte Woche hatte sie ihren hässlichen alten Wintermantel abgelegt und war in einem Militärparka aufgetaucht. Grün natürlich, und ganz offensichtlich per Post aus der Kleiderkammer des Heeres bestellt, was wiederum bedeutete, dass ihr Vater seine Dürreperiode wieder überwunden und erneut zu trinken angefangen hatte. Der Parka wäre absolut korrekt gewesen, hätte ihn jemand anderer getragen, jemand, der schlau genug gewesen wäre, die Schnur unten zusammenzuziehen, sodass er diese Ballonform bekam, aber das hatte Ingalill natürlich nicht kapiert. Dagegen trug sie einen FNL-Button am Parka, eine ziemlich große Metallmarke mit einem gelben Stern und dem Text Mit FNL für das vietnamesische Volk. Wo immer sie den auch herhaben mochte. Es gab in anderen Städten FNL-Gruppen, darüber hatte Susanne in der Zeitung gelesen, aber keine in Landskrona. Sie hatte draußen auf dem Flur die Augenbrauen wegen des Buttons hochgezogen und eine kleine, ironische Kopfdrehung zu Maggan hin gemacht, einem der Mädchen, die immer hinter ihr herliefen, aber Maggan hatte nur den Button angestarrt und nichts kapiert. Wie sich herausstellte, wusste sie nicht, was die FNL war, und Susanne hatte nun weiß Gott keine Lust gehabt, ihr das zu erklären. Sie hatte sich nur umgedreht und war ins Klassenzimmer gegangen. Danach war Maggan den ganzen Tag um sie herumscharwenzelt. Als hätte sie Angst. Lächerlich.
Susanne seufzte und holte ihren kleinen Spiegel aus der Schultasche,
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