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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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sich so schreckliche Sorgen machten, wie es Susanne an diesen popeligen drei Tagen erging, dann müssten sie sich um ihn ja viel größere Sorgen machen, und das hatte er nun wirklich noch nie bemerkt …
    Er beendete den letzten Satz nicht, was sehr effektiv war. Das hatte Inez dazu gebracht, sich auf einen Stuhl sinken zu lassen, während sie Birger mit dem Blick suchte, ihn mit einer ganz merkwürdigen Miene ansah, mit ganz feuchten Augen, und ein paar Sekunden lang stand auch er mit einem abwesenden Blick da, bevor er schnell den Kopf drehte und Elsie betrachtete, eine steife, erstarrte Elsie, die offenbar nur mit allergrößter Anstrengung nicken konnte, ein Nicken, das dann an Birger weitergereicht wurde und schließlich als Antwort bei Inez landete.
    »Ja«, sagte diese mit dünner Stimme. »Natürlich vertrauen wir dir, Björn. Das ist doch klar. Na gut, dann darf sie mitfahren.«
    Aber Susanne vertrauten sie nicht. Das war offensichtlich. Birger wie auch Inez hatten die ganze letzte Woche damit verbracht, auf sie einzureden. Dass du ja nicht rauchst! Und nicht trinkst! Und – ähem, ähem – mit niemandem aufs Zimmer gehst! Was dachten sie denn von ihr? Dass sie sich als eine rauchende, schwangere Alkoholikerin in den Zug von Norrköping setzen würde? So dumm war sie ja nun auch wieder nicht.
    Birger faltete die Landskrona-Posten zusammen und schaute auf seine Uhr. Das war das Signal, jeden Morgen das immer gleiche Aufbruchsignal Richtung Schule. Susanne hob ihre Tasse mit Kakao und trank sie aus, holte dann tief Luft, suchte nach einem anderen Tonfall als dem, den sie sonst um diese Tageszeit zu benutzen pflegte.
    »Meine Tasche steht draußen am Eingang«, sagte sie. »Vergiss sie bitte nicht …«
    Das klang flehend. Viel zu flehentlich. Björn schaute von seinem halb aufgegessenen Haferbrei auf und sah sie etwas verwirrt an.
    »Was?«
    Eine Sekunde lang vibrierte die Welt. Er hatte es vergessen. Er hatte vergessen, dass er ihr und Eva erlaubt hatte, mit ihm auf Tournee zu gehen. Und jetzt durften sie doch nicht mit. Jetzt würde er sich gleich eine Ausrede einfallen lassen …
    »Ach so, ja, natürlich«, sagte Björn. »Klar. Ich habe nur nicht dran gedacht.«
    Susanne saß mit kerzengeradem Rücken da und starrte ihn an. Versuchte ihn mit Blicken zu bezwingen.
    »Viertel nach zwölf. Vor der Schule. Eva kommt dort hin.«
    Er griff nach der Zeitung und nickte, sah sie aber nicht an.
    »Klar. Der Bus wird da stehen.«
    Susanne ließ ihn nicht aus den Augen, sie heftete ihren Blick an ihn und versuchte ihn sich mit bloßer Willenskraft gefügig zu machen.
    »Sicher?«
    Björn verzog irritiert das Gesicht.
    »Sicher. Immer mit der Ruhe.«
    Birger ging zuerst, wie üblich. Er stand auf und zog sich die Jacke an, gab Inez einen Pflichtkuss auf die Wange und legte Björn kurz die Hand auf die Schulter, bevor er den Fahrradschlüssel hervorholte und ging. Inez flatterte durch die Küche und deckte ab, ängstlich redend. Ob Björn so gut sein könnte und den Käse in den Kühlschrank stellen, wenn er so weit war? Und könnte er außerdem Susannes Bahnfahrkarte an sich nehmen, damit die nicht wegkam? Vielleicht könnte er auch ihr Geld verwahren, damit auch das nicht wegkam, und wenn es trotz allem passierte, dann könnte er wohl so gut sein und für sie auslegen. Ach du meine Güte, war es denn schon so spät? Sie musste sich beeilen, und Susanne musste sich auch beeilen. Und dann verschwand sie durch die Tür.
    Aber Susanne war noch nicht fertig mit Björn, sie kam in die Küche zurück, während sie den Reißverschluss ihres Parkas zuzog.
    »Viertel nach zwölf«, sagte sie noch einmal. »Du vergisst es doch nicht?«
    Björn wühlte in den Taschen seines Bademantels nach den Zigaretten, zog ein zerknittertes Päckchen John Silver hervor und fischte darin herum. Wollte er drinnen rauchen? In Inez’ Küche?
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er und steckte sich die Zigarette in den Mund. »Bleib ganz locker.«
    Dann strich er ein Streichholz über die Reibefläche und zündete seine Zigarette an.
    Draußen hatte sie ein Gefühl wie Samstag, obwohl doch erst Donnerstag war. Susanne packte ihre Schultasche und ging los, blinzelte in die Morgensonne und senkte dann den Blick auf ihre eigenen Füße. Die Schuhe mit Kreppsohle waren abgetragen und staubig. Wenn sie im Bus war, würde sie sie ausziehen und stattdessen die weißen Stiefel anziehen, diese weißen Stiefel, die sie selbst bezahlt hatte von dem Geld,

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