Eis und Wasser, Wasser und Eis
mitfuhren. Er wollte nicht Tommys Stimme hören müssen und möglichst auch nicht Peos, Bosses und Niclas’. Er wollte sich nie wieder mit den anderen in diese enge blöde Umkleidekabine hinter einer Freilichtbühne quetschen müssen. Und am allerwenigsten wollte er auf der Bühne stehen müssen und Abend für Abend immer die gleichen Lieder singen müssen …
Die Begeisterung der ersten Monate war vorüber. Die Tourneen waren zum Alltag geworden, und noch dazu einem ziemlich grauen Alltag. Es war nicht mehr so wunderbar, Björn Hallgren zu sein, es lag keine Verlockung darin, überall immer wiedererkannt zu werden, kein Genuss im Geschrei der Mädchen, kaum noch ein Anflug von Lust dabei, unter ihnen aussuchen zu können. Trotzdem tat er es, trotzdem riss er nach fast jedem Konzert ein Mädchen auf, nahm es mit in den Bus oder ins Hotelzimmer und zog eine Nummer mit ihr ab. »Aufreißen« war genau das richtige Wort. Trotzdem tat er es, Abend für Abend, Nacht für Nacht, und wenn nur, um Tommy zu ärgern und damit auch Bosse, Peo und Niclas, um diesen grünen Schimmer von Neid in Tommys blauen Augen zu sehen, wenn Björn sich an das hübscheste aller hübschen Mädchen, die sich um sie scharten, wandte und sein unwiderstehliches Lächeln aufsetzte. Er war immer derjenige, der zuerst aussuchen durfte. Denn er war schließlich Björn Hallgren. Nur er und sonst keiner.
Mittlerweile herrschte ziemlich miese Stimmung im Bus. Tommy beklagte sich über alles und jeden, und da Tommy meckerte, schimpften auch Bosse, Peo und Niclas. Es war zu heiß oder zu kalt. Zu weit zwischen den Rastpausen. Zu schlechte Hotels, ganz zu schweigen von den Bühnen, auf denen sie auftreten mussten. Eine LKW-Ladefläche am Stora torget in Alingsås. Hallo? Und irgend so etwas Selbstgebasteltes in einer Turnhalle in Arvidsjaur. So schwankend, das man fürchten musste, zwischen den Planken durchzufallen. Ganz zu schweigen von dem neuen Song, den Karl-Erik ihnen aufgezwungen hatte, der so unglaublich kitschig klang. Wie konnte er sich nur einbilden, dass die Typhoons-Fans wirklich einen schwedischen Text hören wollten? Hä? Es war Zeit, sich zusammenzureißen. Und zwar musikalisch. Denn das machten sie doch wohl nicht nur des Geldes wegen, auch wenn man das glauben konnte, wenn man sah, wie bestimmte Leute …
Björn sagte nichts mehr, wenn Tommy meckerte. Stattdessen kehrte er ihm den Rücken zu und guckte aus dem Busfenster, saß schweigend und reglos da, ohne jemandem sein Gesicht zu zeigen. Er tat so, als würde er gar nicht zuhören, obwohl er natürlich jedes einzelne Wort hörte und jeden feinen Nadelstich registrierte, versuchte sich selbst aber zu zwingen, an etwas anderes zu denken, ohne dass ihm das gelang. Es war schwer, überhaupt zu denken bei all dem Getöse, den Stimmen, dem ganzen Lärm, der jeden Versuch gleich ertränkte. Nur wenn es manchmal ganz still wurde, konnte er sich mit sich selbst befassen.
Wie geht es dir?
Nicht besonders.
Ich weiß.
Nichts macht mehr Spaß. Alles ist nur ein einziger endloser Dienstag.
Ja.
Und Tommy hat ja recht. Nicht, dass ich es jemals in seiner Hörweite zugeben würde, aber ich bin wirklich nicht besonders musikalisch. Ich kann singen, aber ich höre die Musik nicht so, wie Tommy sie hört. Verstehe sie nicht. Nicht auf die Art wie er.
Nein. Aber das ist vielleicht gerade der Punkt.
Wieso?
Du bist vielleicht so wie die, die euch zuhören. Die sind doch sicher auch nicht besonders musikalisch. Da sie euch zuhören. Dir zuhören.
Öh.
Und eigentlich ist es doch egal, ob du musikalisch bist oder nicht. Das ist doch nicht der Grund, warum du bei den Typhoons bist.
Sei nicht gemein.
Du bist der süßeste Junge in ganz Schweden. Das stand in einem Leserbrief in der Vecko-Revyn.
Na toll. Oh, Scheiße.
Aber Caroline ist nie gekommen. Obwohl du doch so süß bist.
Hätte das etwas geändert, wenn sie gekommen wäre?
Nein. Wohl kaum.
Du sehnst dich nicht einmal nach ihr.
Tue ich doch.
Nein. Du willst nur das haben, was du nicht kriegen kannst. Wie immer.
Okay. Ich sehne mich nicht nach Caroline. Aber ich sehne mich nach einem ganz normalen Alltag. Zur Schule gehen. Ein Buch lesen. Mit den Moonlighters proben.
Das ist vorbei. Du hast mit der Schule aufgehört. Und Bücher … Versuch es nur. Und sieh zu, ob du dann die Kommentare im Bus erträgst. Außerdem wollen die Moonlighters nicht mit dir proben. Sagen sie jedenfalls.
Ich weiß. Der Neid.
Nicht nur. Es kann ja auch
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