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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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doch drei viel bequemere Sessel im Wohnzimmer. Warum konnte sie nicht dort sitzen und lernen, wenn sie nun unbedingt in einem Sessel sitzen musste?
    Sie hatte ihm Kontra gegeben. Zum ersten Mal. Sie hatte Birger nicht mit Worten und Argumenten besiegt, sondern allein mit der Kraft ihrer Gleichgültigkeit. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt, wenn er mit seinen Einwänden am Küchentisch saß, hatte sich über ein Buch gebeugt, wenn er lauter wurde, gelächelt und mit den Schultern gezuckt, wenn er ihr nörgelnd folgte. Und schließlich hatte er tatsächlich aufgegeben und war verstummt, seit drei Wochen hatte er kein Wort mehr über ihr neues Arbeitszimmer gesagt. Was nicht unbedingt bedeutete, dass er sich damit abgefunden hatte. Sondern wahrscheinlich nur, dass er über eine neue Strategie nachdachte. Was wiederum bedeutete, dass es lebenswichtig war, dass er nichts von dem Geld erfuhr. Elsies Geld.
    Inez schlang sich die Arme um den Leib und verzog das Gesicht. Hatte sie gestohlen? Konnte das als Diebstahl angesehen werden, dass sie Elsies Geld in ein Extrafach in ihrer eigenen Brieftasche gelegt hatte? Das Essensgeld, das Elsie meinte zahlen zu müssen, wenn sie bei Inez und Birger wohnte. Nein. Das konnte man nicht als Diebstahl ansehen. Schließlich war es ja Inez, die während der vier Monate jede Kartoffel gekauft und jede einzelne Frikadelle geformt hatte, sie war es gewesen, die den Sonderangeboten nachgejagt war und angefangen hatte, Brot zu backen, damit das Haushaltsgeld reichte. Außerdem hatte sie tatsächlich einiges von ihrem eigenen Gehalt gespart. Ganz zu schweigen davon, dass sie in ihrem alten, abgetragenen Mantel herumgelaufen war, statt sich einen neuen zu kaufen, sie war sogar in ein Geschäft gegangen und hatte sich den Mantel angeguckt, den sie gekauft hätte, wenn sie nicht hätte sparen wollen, hatte sich den Preis gemerkt und den ganzen Betrag in ihr Geheimfach in der Brieftasche gesteckt.
    Sie hatte in der kleinen Toilette gestanden und ihr Geld gezählt. Und sich damit wie ein Dieb benommen. Ein ehrlicher Mensch hätte am Küchentisch gesessen, einen Hunderter auf den anderen und einen Zehner auf den nächsten gelegt, voll sichtbar auf die Tischdecke. Doch das konnte sie nicht. So weit reichte ihre Gleichgültigkeit nicht. Denn sie wusste, dass dieses Geld in dem Moment, in dem Birger es erblicken würde, ihm gehörte, nicht, weil er das irgendwann einmal formuliert hatte, ganz im Gegenteil, es waren ja ihre gemeinsamen Ersparnisse, das musste sie doch verstehen, aber sie musste auch verstehen, dass sie sich nun wirklich keine teuren dänischen Lampen und antiken Schreibtische leisten konnten. Und Gardinen? Was war denn so verkehrt mit den Gardinen, die bereits in dem Dachbodenzimmer hingen. Bitte? Sie wollte schließlich da oben lernen, nicht sich die Einrichtung angucken.
    Feige. Das war sie. Und schäbig. Eine feige Person, die sich schäbig verhielt, log, sich versteckte und Geheimnisse hatte, eine, die so tat, als wäre sie glücklich, offen und vertrauensvoll, aber im Grunde genommen ängstlich, verschlossen und misstrauisch war. Sie schloss die Augen. Jetzt nicht daran denken. Nein, sie wollte lieber daran denken, wie schön es hier drinnen werden würde. Mit dem Schreibtisch, den sie in einem Antiquitätenhandel gesehen und mit einem Hunderter angezahlt hatte. Und mit der teuren dänischen Lampe mit gefälteltem Schirm, die sie bereits gekauft und ganz diskret hinter ein paar alte Stühle oben auf dem Dachboden gestellt hatte. Die Vorhänge wollte sie in Kopenhagen kaufen, wenn die Sommerferien anfingen. Sie würde ins Magasin du Nord gehen und einfach nur zeigen … Zweieinhalb Meter von diesem hier, bitte!
    Sie war schon einmal dort gewesen. Während der Osterferien hatte sie Elsie an einem Tag mehr oder weniger genötigt, mit ihr nach Kopenhagen zu fahren. Das war ein Tag gewesen, der ziemlich trübsinnig mit grauem Himmel über dem Öresund begonnen hatte, fettigen Käsebroten auf der Fähre und einem Schweigen zwischen Inez und Elsie, das mit jeder Minute zu wachsen schien, einer Stille, die Elsie schließlich dazu brachte, wegzuschauen, und Inez dazu, draufloszuplappern. Sie hatten nie über das Allerwichtigste reden können, folglich hatten sie einander auch nichts zu sagen, also musste sie über Belangloses reden, und das tat sie, bis die Worte mitten auf einer Rolltreppe zu Ende waren. Elsie hatte zunächst gar nicht gemerkt, dass sie verstummte, sondern hatte

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