Eis und Wasser, Wasser und Eis
Haare des neuen Jungen fielen ihm über die Wangen, als er sich zu Hasse vorbeugte. Sie waren aschblond, eine Farbe, so nichtssagend, dass sie eigentlich gar keine Farbe war. Eigentlich sah er nicht besonders gut aus, aber etwas, vielleicht die Kleider oder die Frisur, ließ ihn trotzdem gut aussehend wirken. Oder zumindest in . Und das war wichtig. Nichts war für einen Typen wichtiger, als in zu sein.
Tommy sagte etwas, und Hasse warf einen kurzen Blick zum Bus, als er antwortete. Jetzt erzählt er von Eva und mir, dachte Susanne. Und Tommy gefällt nicht, dass wir mitfahren. Der aschblonde Typ sagte etwas, und einen Moment lang sah Tommy überrascht aus, dann fing er an zu lachen. Die Gefahr schien vorbei zu sein. Tommy behielt ein Lächeln auf dem Gesicht, als er mit ein paar großen Schritten zum Bus ging, blieb dann aber stehen, trat einen Schritt zurück. Sagte erneut etwas zu dem fremden Jungen, bekam eine Antwort und lachte noch lauter als zuvor. Peo, Bosse und Niclas lachten auch. Und Hasse beugte sich schnell vor und schlug dem Fremden noch einmal auf den Rücken. Ein richtiger Spaßvogel war er offenbar. Susanne schloss die Augen und zwang sich, das Richtige zu denken. Ein netter Junge. Der gute Laune verbreitete. Vielleicht konnte er Björn auch aufmuntern. Sie warf diesem einen kurzen Blick zu. Er hielt die Augen immer noch geschlossen, lauschte jedoch intensiv, das war ihm anzusehen. Atmete kaum noch.
Eva hatte sich vom Fenster zurückgezogen und saß jetzt mit übereinandergeschlagenen Beinen und im Schoß gefalteten Händen da, den Blick nach vorn gerichtet. Susanne konnte ihr Gesicht nicht erkennen, aber sie war sich absolut sicher, dass sie lächelte. Vielleicht hatte sie sogar das Licht in ihren Augen eingeschaltet, dieses kleine Licht, das sie ein- und ausschalten konnte, ganz wie sie wollte. An einem Samstag im Winter hatte sie Susanne gezeigt, wie sie es machte, sie hatten nebeneinander in der kleinen Kammer hinter der Parfümerie gestanden und sich im Spiegel angeschaut.
»Guck mal«, hatte Eva gesagt, und Susanne guckte. Sie hatte gesehen, wie Eva ohne eine Miene zu verziehen plötzlich richtig glücklich ausgesehen hatte, ein wenig begierig dazu und sehr fröhlich. Sie konnte nicht anders, musste sie einfach anlächeln, aber das war ein Lächeln, dass ebenso schnell wieder erlosch, wie es gekommen war. Denn anschließend, nur eine Sekunde später, sah Eva genauso aus wie immer, wenn zu viele Teenagermädchen auf einmal in den Laden kamen. Mit schwarzen Augen, unwillig und sauer. Sekunden später blitzte wieder dieses kleine Licht in ihren Augen auf, und sie wirkte erneut begierig und verspielt.
»Wie machst du das?«, fragte Susanne.
Eva strich sich mit der Hand übers Haar, sie hatte eine neue Frisur, einen langen, glatten Pagenkopf, nur ganz wenig, fast überhaupt nicht toupiert, und strich sich oft mit der Hand darüber. Lächelte.
»Ich kann das gar nicht sagen. Es ist, als würde ich auf einen Knopf drücken. Dann kommt das einfach so.«
»Aber …«
Eva zuckte mit den Schultern.
»Das ist einfach ein Talent. Ich weiß nicht, wie es funktioniert. Ich mache es einfach.«
»Als würdest du ein kleines Licht anzünden«, sagte Susanne. »Und dann wieder ausschalten.«
Eva lachte und schüttelte dabei ihr Haar. Es schien, als genieße sie das Gefühl, wie es weich ihre Wangen und ihren Hals berührte, ganz anders als diese kräftig mit Haarspray bearbeiteten Frisuren, die sie all die Jahre gehabt hatte. Oder aber es war Susannes Antwort, die sie genoss. Was wohl eher der Fall war, denn sie war später noch mehrere Male darauf zurückgekommen. Erst vorhin, als sie vor der Schule gewartet hatten, hatte sie Susanne angelächelt und gefragt:
»Na, ist das Licht eingeschaltet?«
Susanne hatte sich gerade gebückt, um sich ihre weißen Stiefel anzuziehen, aber jetzt wartete sie damit, stand gekrümmt da und blinzelte zu Eva hoch. Sie sah kein Licht, aber das konnte sie natürlich nicht sagen. Stattdessen lächelte sie nur und ließ den Blick wieder zurück zu den Stiefeln wandern.
»Na klar«, sagte sie.
Eva veränderte ihr Gleichgewicht, trippelte ein wenig. Also die richtige Antwort. Susanne zog sich den anderen Stiefel an und richtete sich auf. Hinter ihr standen die Mädchen, eine Gruppe in ihrem Alter und jünger. Es gefiel ihr, dass sie hier standen. Das machte sie stärker. Ließ sie sich fast ebenbürtig mit Eva fühlen. Denn wie viele Mädchen ihres Alters durften schon
Weitere Kostenlose Bücher