Eis und Wasser, Wasser und Eis
mit einer Band wie den Typhoons auf Tournee gehen? Praktisch keine. Jedenfalls nicht hier in Landskrona.
Gleichzeitig prickelte es ein wenig vor Unruhe in ihr. Konnte es nicht sein, dass Björn wieder einmal vergaß, dass er sie abholen sollte? Und dann müsste sie hier mit der Enttäuschung der Mädchen stehen. Ganz allein mit der Verantwortung, ohne dass jemand sie mit ihr teilte. Denn Eva würde keinerlei Verantwortung übernehmen, das wusste sie. Eva hatte nie die Schuld, an nichts. Alles Gute war ihr Verdienst, alles Schlechte lag an den anderen, das hatte Susanne bereits gelernt. Um ehrlich zu sein, so war sie nicht gerade eine gute Freundin. Andererseits waren sie vielleicht ja auch gar keine Freundinnen. Sie waren wohl eher Schwägerinnen. Zumindest sprach Eva sie gern so an:
»Hallo, kleine Schwägerin …«
Susanne verzog das Gesicht. Ja, Eva klang lächerlich, wenn sie so redete, aber das durfte sie nicht einmal denken! Sie zwang sich zurück in die Wirklichkeit. Björn hatte ja nicht vergessen, sie abzuholen. Und hier war sie also. Im Tourneebus der Typhoons mit einem mürrischen Björn eine Reihe weiter links von ihr und mit einer kerzengeraden Eva ganz vorn im Bus. Und draußen stand der Rest der Band, unterhielt sich und lachte. Plötzlich durchfuhr sie eine Welle von Heimweh, denn eine Sekunde lang sah sie ihr Zimmer vor sich, ein Zimmer in der Dämmerung, in dem sie selbst an ihrem Schreibtisch saß und in ihr Tagebuch schrieb. Sie schloss die Augen und verscheuchte das Bild, beugte sich dann vor und legte beide Hände auf die Rückenlehne vor sich. Jetzt sah sie etwas, was sie vorher nicht bemerkt hatte. Eva betrachtete sich im Spiegel. Über der großen Windschutzscheibe im Bus war ein kleiner Spiegel befestigt, und in ihm sah sie Evas Gesicht, dieses glatte, weiße Oval mit zwei sehr schwarz geschminkten Augen. Eva hatte ihr Licht eingeschaltet, und sie ließ es eingeschaltet, als sie den Kopf zur Bustür drehte. Peo, Bosse und Niclas waren auf dem Weg herein. Und draußen warteten Tommy, Hasse und der durchgestylte Typ.
Er sollte auch mitfahren.
Wie klingt Jubel?
Das war eines der Worte, mit denen Susanne gekämpft hatte, als sie Tagebuch schrieb, eines von denen, mit denen sie versucht hatte, ihre kindlichen Vorstellungen abzulegen. Jetzt wusste sie es. Jubel war kein albernes Glucksen in Falsett, sondern all das hier. Es war das Geräusch von Evas hellem Lachen, gemischt mit Hasses dunklem, es war Niclas’ eifrige Stimme und Bosses nicht ganz so eifrige, es waren Peos Hände, die in einem Trommelsolo auf der Rückenlehne vor ihm flatterten, und Tommys Glucksen, irgendetwas zwischen Lachen und Reden. Und all das wegen Robban. Der den Jubel verursachte. Der gute Laune mitbrachte. Der Typ, der mit in den Bus eingestiegen war und alle – natürlich außer Björn – zum Lachen gebracht hatte.
Obwohl er doch sofort zu Björn gegangen war, als er in den Bus gestiegen war, sich vor ihn hingestellt und sich mehrere Male laut und künstlich geräuspert hatte, so künstlich, dass alle anderen einfach lachen mussten, und damit hatte er Björn schließlich gezwungen, die Augen zu öffnen. Robban hatte sofort eine ironische Verbeugung hingelegt und gesagt:
»Man hat zu danken.«
Björn blinzelte.
»Wofür?«
»Dafür, dass du meinen Platz in der Band eingenommen hast. Danke.«
Björns Blick wurde unruhig:
»Dann bist du also …«
»Ich bin Robban. Meine Eltern sind dir auch auf ewig dankbar. Denn in einem Monat mache ich Abitur, und das machen die anderen nicht …«
Björn richtete sich auf, wusste aber nicht so recht, wo er hingucken sollte. Robban fuhr lächelnd fort:
»Wenn du nicht gekommen wärst und meinen Platz in der Band eingenommen hättest, dann wäre ich immer noch …«
Er lächelte, beendete den Satz jedoch nicht. Hinter ihm stand Tommy mit breitem Grinsen.
»Wir haben gedacht, Robban könnte doch ein paar Tage mitkommen. Genau wie deine Schwester und deine Braut.«
Björn zuckte mit den Schultern.
»Das ist nicht meine Schwester. Und auch nicht …«
Tommy lachte: »Nicht deine Schwester und nicht deine Braut. Oh, Scheiße. Habt ihr das gehört, Jungs? Es ist nicht seine Schwester und nicht seine Braut!«
»Ich meinte nur …«
Björn zog sich zur Hälfte hoch, ließ sich aber gleich wieder auf den Sitz sinken. Vielleicht war er Evas Blick begegnet, einer Eva, die sich umgedreht hatte und ihn anstarrte ohne jedes Licht im Blick, eine blasse Eva mit schmalen,
Weitere Kostenlose Bücher