Eis und Wasser, Wasser und Eis
waren hart und eckig gewesen, mit langen Fingern, die sie festhalten und sich überallhin vortasten wollten. Peos Finger waren nicht lang, sondern breit und knubbelig. Er hatte große Hände, aber einen sehr zarten Griff. Das hatte sie gespürt, als er nur kurz ihr Knie getätschelt hatte und dann gleich, fast noch in derselben Sekunde, die Hand wieder zurückgezogen und ein zaghaftes Lächeln aufgesetzt hatte.
Sie öffnete halb die Augen, nur so viel, dass sie seine Hand ansehen konnte, die weit geöffnet dalag, auf seiner schwarzen Jeans ruhte. Wie ein kleines Vogelnest. Einen Moment lang sah sie sich selbst in diesem Nest liegen, in Embryonalstellung zusammengekauert, die Hände unter der Wange, dann schlug sie beschämt über sich selbst die Augen auf. Zog sich hoch, bis sie ordentlich saß, und schaute sich um. Es stimmte, Peo schlief. Genau wie Bosse und Niclas. Aber ein paar Reihen weiter vorn saßen Tommy und Eva, die Köpfe so dicht zusammengesteckt, dass es aussah, als würden ihre Stirnen gleich zusammenstoßen. Eva redete. Es war kaum zu hören, aber zu sehen, ihr Kopf bewegte sich auf und ab, die Augen wurden aufgerissen, und jetzt hob sie die Hand, als wollte sie ihr eigenes Lachen verbergen, merkte aber offenbar, dass die Hand dann zwischen Tommys Mund und ihrem eigenen liegen würde, und senkte sie wieder. Schlug die Augenlider nieder. Tommy lächelte und beugte sich ein wenig weiter vor, kam ihr so nah, dass ihre Ponys sich berührten. Susanne wandte den Blick ab, drehte den Kopf, schaute schräg über die Schulter zu Björn. Er schlief nicht. Er saß mit weit offenen Augen und starrte geradeaus vor sich hin. Ohne etwas zu sehen. Offenbar vollkommen desinteressiert an dem, was zwischen Eva und Tommy passierte, und ebenso desinteressiert an ihr und Peo. Sie nahm ihn einen oder zwei Augenblicke lang ins Visier, wollte ihn zwingen, sie anzusehen, ihre Existenz zu bestätigen, zuzugeben, dass sie ein Teil seines Lebens war, ein Teil, den er nicht einfach ignorieren konnte, doch das nutzte nichts. Er saß reglos da und starrte vor sich hin, nichts sehend und nichts hörend.
Was war mit ihm los? War er krank?
Nein. Nicht krank. Er sah ja nicht krank aus. Und er war schließlich doch noch gekommen und hatte etwas gegessen, nachdem sie mit ihm geschimpft hatte. Seufzend wandte sie ihren Blick ab, drehte sich zum Fenster um und schaute hinaus. Gerade jetzt fuhren sie durch einen kleinen Ort. Rote und weiße Häuser. Ein Konsum. Eine Tankstelle. Dann war es vorbei. Ein paar rotbraune Kühe grasten auf einer Weide, dahinter standen einige Birken und reckten ihre kahlen Zweige in die Luft, dann kam wieder Wald, dieser fast schwarze Nadelwald, der ganz Småland zu bedecken schien. Bald würden sie da sein.
Peo knurrte an ihrer Seite, schlug dann die Augen auf und lächelte. Sie erwiderte sein Lächeln. Er hatte zerzaustes Haar, dieses lockige schwarze Haar, das glatt zu bekommen fast unmöglich zu sein schien. Genau wie ihres. Sie hatte am Morgen fast eine halbe Stunde gekämpft, um die Krause wegzubekommen.
»Guten Morgen.«
Peo reckte sich, spreizte seine knubbeligen Finger, sah sie an und schloss dann die Hände zu Fäusten.
»Hast du auch geschlafen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Nur gedöst.«
Er warf einen Blick auf seine Uhr.
»Wir sind bald da.«
Sie nickte wieder.
»Ja. Bald sind wir da.«
Die Stadt wirkte fast verlassen. Menschenleer. Ein paar Autos, ein paar Kinder, die auf einem Kiesplatz Fußball spielten, und vereinzelte Paare, die spazieren gingen, das war alles, was sie sahen, als sie zum Hotel fuhren. Der Stora torget lag verlassen da, trotzdem prickelte es in Susannes Bauch vor Erwartung, als sie ausstieg und sich umsah. Hier würde sie also wohnen. In einem ganz neu gebauten Hotel. Wie eine Erwachsene.
Drinnen glänzte alles. Der frisch gebohnerte Fußboden. Der Tisch aus Glas und Messing, der vor den Ledersofas in der Lobby stand. Und das strahlende Lächeln der Dame am Empfang, als sie Björn erblickte. Susanne konnte sehen, wie sie zitterte, dass ihre Hand tatsächlich vor Nervosität und Begeisterung zitterte, als sie ihm ein Formular hinschob, in das er sich eintragen sollte. Er erwiderte ihr Lächeln, aber nur ganz kurz, drehte ihr dann den Rücken zu und ging zum Fahrstuhl, wartete nicht, dass die anderen nachkamen, stieg einfach ein und verschwand.
Susanne und Eva mussten sich ganz hinten in den Fahrstuhl zwängen, als sie so weit waren, damit auch Tommy und Robban
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