Eis und Wasser, Wasser und Eis
bezahlt wird. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du für mich auslegen könntest, wenn die Stromrechnung kommt.«
Lydias Blick wurde unstet.
»Nun, ich weiß ja nicht …«
Elsie seufzte vernehmlich. Zum ersten Mal in ihrem Leben seufzte sie vor Ungeduld über Lydia so laut, dass Lydia es selbst hören konnte.
»Dann gib sie Inez. Und bitte sie auszulegen. Es kann ja nicht viel sein.«
Lydias Blick wich ihr wieder aus:
»Ich habe ja nicht gemeint …«
Elsie stellte sich taub.
»Ich rufe sie vom Schiff aus an. Dann brauchst du dich nicht darum zu kümmern. Aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du so lange meinen Schlüssel nehmen könntest. Und den Briefkasten leeren. Oder Inez darum bitten.«
Lydia streckte die Hand aus, sagte aber nichts. Elsie ließ den Schlüssel hineinfallen.
»Vielen Dank«, sagte sie dann und schob ihre Schiffsmütze zurecht. »Das nächste Mal werde ich all das mit Post und Bank vorher regeln.«
»Ja«, sagte Lydia. Ihr Gesicht war vollkommen leer. Weiß und leer. »Dann alles Gute.«
»Dir auch.«
Elsie trat einen Schritt zurück und griff nach ihrer Tasche, aber Lydia machte keine Anstalten, die Tür zu schließen. Sie stand nur kerzengerade da und starrte ihre Tochter an, bis sie plötzlich blinzelte und wiederholte:
»Ich habe ja nicht gemeint …«
Elsie antwortete nicht, schaute nur weg und ging zur Treppe, leicht gebeugt, da die Tasche schwer war.
»Das Taxi wartet«, sagte sie und hob die Hand zum Gruß. »Grüß die anderen. Wenn du sie siehst.«
Und damit war sie fort.
Der Folkets Park in Nässjö.
Aha.
Susanne stand ganz still da und schaute sich um. Obwohl sie noch nie zuvor auf so einem Vergnügungsgelände gewesen war, hatte sie genau gewusst, dass es so aussehen musste. Es war nur etwas leerer, als sie es sich vorgestellt hatte, denn noch waren die Eingangstore abgesperrt und die Tickethäuschen geschlossen. Die Tanzfläche lag verlassen da, die roten, blauen und gelben Glühlampen hingen ausgeschaltet an schlaffen Kabeln. Die Losbude war geschlossen. Der Kiosk versteckte sich hinter einer Klappe aus Sperrholz. Die Freilichtbühne lag leer und dunkel da, auf den Bänken unter dem schwarzen Dach gab es noch kein Publikum, und niemand lehnte sich an das blaue Geländer drum herum. Nicht ein Mensch war zu sehen, nur ein Wald, der zwischen den Gebäuden fast heranzukriechen schien. So konnte man es sich zumindest vorstellen. Wenn man ein bisschen Fantasie hatte. Und das hatte man schließlich. Oder hatte man zumindest gehabt.
Hingegen hatte ihre Fantasie nicht ausgereicht, sich vorzustellen, dass sie an diesem Tag, an dem sie zum ersten Mal in einem Volkspark stand, so vollkommen anders sein würde. Doch das war sie. Sie war ein neuer Mensch geworden. Hässlicher. Schlechter. Blöder als je zuvor. So blöd, dass sie selbst nicht richtig begriff, was eigentlich passiert war. Oder wie es dazu hatte kommen können.
Eine Stunde waren sie im Hotel Högland gewesen. Eine Stunde hatte Eva gebraucht, um Susannes gesamtes Selbstbild zu zerstören, sie zu vernichten, sie von einem ziemlich erfolgreichen Mädchen in ein Nichts zu verwandeln. Eine, die nichts vorzuweisen hatte. Eine, die sich ja nichts einbilden sollte. Eine, die den Mund nicht aufmachen konnte, ohne sich lächerlich zu machen. Und zwar verdammt lächerlich. Eine, die schließlich in einem verzweifelten Versuch, ihrer eigenen Lächerlichkeit zu entkommen, nachgegeben und sich darauf eingelassen hatte, nicht in dem Hotelzimmer zu schlafen, das ihre Eltern bereits zur Hälfte bezahlt hatten. Nicht, dass das etwas genutzt hätte. Eva hatte trotzdem kein Wort mehr mit ihr gewechselt, seit sie das Zimmer verlassen hatten, und ihr Blick war äußerst ungnädig und verächtlich geworden, sobald er Susanne gestreift hatte.
Es hatte angefangen zu nieseln, einige eiskalte Tropfen trafen sie im Gesicht und brachten sie dazu, die Parkakapuze aufzusetzen, dann die Hände in die Taschen zu stecken und die Schultern hochzuziehen. Sie zitterte ein wenig. Jetzt musste sie sich entscheiden. Sollte sie gehen? Zum Bahnhof gehen und sich in den nächsten Zug Richtung Süden setzen, nach Hause fahren und versuchen, Inez und Birger alles zu erklären? Sie konnte jetzt schon deren Stimmen hören, Inez’ scharfen Ton und Birgers unzufriedenes Grummeln. Was war passiert? Warum hatte sie es zugelassen, dass diese Eva sie einfach hinausgeworfen hatte? Und was hatte Björn getan, um ihr zu helfen? Was hatten die anderen Jungs
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