Eis und Wasser, Wasser und Eis
zögerlichen Akkord, bevor er sich zum Mikrofon vorbeugte und sagte:
»Und hier kommt er! Björn Hallgren!«
Im nächsten Moment setzte die Musik ein. Sie wurde sofort vom Schreien des Publikums übertönt.
Er war Björn Hallgren. Er konnte immer noch Björn Hallgren sein.
Der Gedanke fuhr ihm durch den Hinterkopf, als er zu singen anfing, er schob ihn beiseite und versuchte sich auf den Text zu konzentrieren. Tonight’s the night I’ve waited for … Aber das ging nicht so recht, die Worte schienen in seinem Kopf regelrecht zu zerplatzen, und für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete er, er hätte sie vergessen, er hätte sogar vergessen, welchen Song er singen sollte, bevor ihm aufging, dass es Happy Birthday, Sweet Sixteen war, denn sie fingen immer mit Happy Birthday, Sweet Sixteen an. Ihre Erkennungsmelodie. Er bekam den Text wieder in den Griff und lächelte. Das Publikum gröhlte immer noch. Sie hatten nicht gehört, dass er ein paar Worte vergessen hatte. Er konnte sich entspannen und sie genauso ansehen, wie sie ihn ansahen.
Es war natürlich gerammelt voll. Die Leute saßen nicht nur auf allen Bänken, sie standen vor und hinter dem Gitter, einige so weit draußen, dass sie nicht mehr durchs Dach vor dem Regen geschützt wurden. Ein Mädchen hatte einen blasslila Regenschirm aufgespannt, und aus irgendeinem Grund erschien ihm das wie ein Gruß, es war, als schickte sie ihm eine Botschaft – Hier bin ich! Your own sweet sixteen –, und seine Gedanken streiften kurz Caroline, sie, die niemals gekommen war, dann blinzelte er und sang weiter. Ein ziemlich hässliches Mädchen in der ersten Reihe hatte die Hände wie zum Gebet gefaltet und starrte ihn an, suchte intensiv nach seinem Blick. Zwecklos. Er ließ ihn nur über sie hinweggleiten zu einer Bank weiter hinten, auf der eine Gruppe von Jungs mit extrem hohen Hemdkragen saß und leicht skeptisch dreinschaute. Auch egal. Er wiederholte die letzte Strophe, genau wie er sollte, breitete dann die Arme aus und schrie:
»Hallo, Nässjö!«
Sekunden später bekam er Angst. Und wenn sie jetzt gar nicht in Nässjö waren? Wenn er alles falsch verstanden hatte und sie in Vetlanda, Värnamo oder in Kleinkleckersdorf waren, aber die Reaktion des Publikums beruhigte ihn. Sie waren in Nässjö. Auf jeden Fall. Sonst hätten sie nicht so glücklich zurückschreien können, und das Mädchen mit dem lila Regenschirm hätte ihn nicht zum Gruß geschwenkt. Tommy schlug hinter seinem Rücken einen neuen Akkord an, immer noch verbiestert und unwillig, wie anzunehmen war, da die ersten vier Stücke bei jedem Konzert Songs waren, die er verachtete. Scheiß drauf. Sie würden noch rechtzeitig zu ihren eigenen Hits kommen, und dann konnte Tommy eines seiner so unglaublich genialen Soli bringen.
Aber Susanne? Wo war sie geblieben?
Diesen Gedanken konnte er sich jetzt erlauben, während er Corinna, Corinna sang. Der einfachste Text der Welt, es ging nur darum, den Namen neunundzwanzigmal zu wiederholen, und wenn es dreißig oder achtundzwanzig Male wurden, dann war es auch gleich. Nicht, dass es jemals dreißig oder achtundzwanzig gewesen wären. Schließlich war er Björn Hallgren, und Björn Hallgren machte keine solchen Fehler. Aber Susanne war immer noch verschwunden. Er streifte das gesamte Publikum mit seinem Blick – Co-o-rinna, Co-o-rinna – , sah sie aber nirgends. Sie stand wohl irgendwo eingeklemmt. Zeit für die nächste Strophe – Oh, little darling, where’ve you been so long? – und plötzlich spürte er, dass er wirklich da war, tatsächlich da stand und das sang, was er sang, dass er tatsächlich Björn Hallgren war, und dass Björn Hallgren kein Ehemaliger war. Nein! Er würde nicht einmal ein Ehemaliger werden. Stille Freude breitete sich in jeder Zelle seines Körpers aus, und er umfasste mit beiden Händen das Mikrofon, streichelte es, hielt es ganz nah an seinen Mund und genoss seine eigene Stimme, genoss die atemlose Stille, die sich plötzlich unter dem Publikum ausgebreitet hatte. Noch eine kleine Weile. Nur einen Moment während der siebenundzwanzigsten, der achtundzwanzigsten und neunundzwanzigsten Wiederholung des Namens. Und dann: I love you so …
Sie liebten ihn. Er konnte es spüren. Er konnte fühlen, wie ihre Liebe in ihm vibrierte, als der Applaus und die Schreie schließlich über ihn hereinbrachen, ihn einhüllten, verschlangen.
»I’m all yours«, rief er und breitete die Arme aus.
Und dann passierte es. Mitten im dritten
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