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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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Gesicht vor sich sehen zu können, als sie weitersprach:
    »Ich habe wirklich geglaubt, das wäre dir klar gewesen.«

Es klang wie immer vor einem Auftritt. Ein Stimmengewirr, das sich in den Umkleideraum drängte, hie und da vereinzelte Rufe, schrilles Lachen, das die anderen Geräusche durchschnitt. Die Menschenfresser sammeln sich, dachte er, rief sich aber gleich selbst zur Ordnung und zwang sich, seinem eigenen Blick im Spiegel zu begegnen. So nicht. Niemals so. An dem Tag, an dem du anfängst, dir das Publikum als Menschenfresser vorzustellen, ist es gelaufen. Dann traust du dich nicht mehr raus auf die Bühne.
    »Scheiße auch«, sagte er laut und sah im selben Moment ein, dass das ein Fehler war.
    »Was?«, fragte Niclas, der hinter ihm stand und in den Spiegel schaute. Er schaute immer in den Spiegel.
    »Nichts«, sagte Björn.
    »Du hast doch was gesagt. Das habe ich gehört.«
    »Nur laut gedacht …«
    Niclas zuckte mit den Schultern.
    »Kann ich deine Bürste leihen?«
    Björn schaute auf die Bürste, die er in der Hand hielt, reichte sie dann Niclas, stand auf. Es war eng hier drinnen. Viel zu eng. Tommy probierte direkt neben ihm seine Gitarre aus, Bosse saß mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Beinen neben ihm und sah aus, als schliefe er, Robban und Eva drängten sich hinten in der Ecke, und draußen auf dem Flur stand Peo mit dem Rücken zu ihnen und schlug mit den Drumsticks gegen die Wand. Susanne war nicht da. Sie war sicher rausgegangen und hatte sich ins Publikum gesetzt.
    Warum hatte sie vor Kurzem ausgesehen, als wäre sie den Tränen nahe? Und warum war er selbst damit einverstanden gewesen, dass sie mitkam? Er schüttelte den Kopf. Machte sich wie üblich selbst was vor. Denn er war ja nicht nur einverstanden gewesen, er selbst hatte Inez überredet. Warum, wusste er nicht. Fiel ihm nicht mehr ein. Vielleicht hatte es mit Eva zu tun, vielleicht hatte er sich an dem Tag nach jemandem gesehnt. Sich einsam gefühlt und geglaubt, dass Eva und Susanne ihm helfen würden, sich weniger einsam zu fühlen. Das war dumm. Direkt bescheuert. Aber andererseits hatte er schließlich nicht wissen können, dass Elsie sich ausgerechnet diesen Tag aussuchen würde, um …
    Nein! Verboten. Daran durfte er nicht denken.
    Der Gedanken verzog sich, während Eva den Kopf drehte und ihn ansah. Ihr Gesicht war vollkommen leer, drückte kein einziges Gefühl aus, nicht einmal, als sich ihre Blicke trafen; es schien, als wäre er ein Fremder, jemand, an dem sie zufällig auf der Straße vorbeiging. Sie sah ihn nur kurz an, dann drehte sie den Kopf und schenkte Robban ein strahlendes Lächeln. Er erwiderte es und beugte sich vor, als wollte er ihr näher kommen. Eva lächelte weiter, zog sich aber um ein paar Zentimeter zurück. Robban folgte der Bewegung, kam noch näher. Dieser blöde Scheißkerl. Als ob er eine Chance hätte.
    Hasse tauchte in der Türöffnung auf.
    »Seid ihr so weit?«
    Björn nickte und schloss die Augen, machte sich bereit, in seine Rolle zu schlüpfen, Björn Hallgren zu werden. Der ewig Glückliche, dem alles glückte. Es war nicht so leicht wie sonst, er war gezwungen, die Augen noch einmal zu öffnen und tief einzuatmen, bevor er diese Leichtigkeit einströmen fühlte, mit der sich seine Adern füllten. Yeah! Hier kam er. Und er war noch kein Ehemaliger.
    Verdammte Scheiße! So durfte er auch nicht denken. Er hielt mitten im Schritt an, machte auf dem Absatz kehrt und zwang sich, noch einmal seinem eigenen Spiegelbild in die Augen zu sehen. Da war er. Björn Hallgren. Kein Ehemaliger. Nicht einmal ein werdender Ehemaliger. Er musste daran glauben. Er war gezwungen, es zu glauben.
    Die anderen Jungs waren bereits auf dem Weg aus der Garderobe, und er beeilte sich, sie einzuholen, ging durch den engen Flur mit seinen Bretterwänden und dem gedämpften Licht, stellte sich anschließend in die Kulisse. Hasse stand ganz vorn und winkte sie auf die Bühne hinaus. Tommy mit festem Griff um den Hals seiner roten Gitarre, Bosse und Niclas lächelnd und winkend, Peo, die Sticks in Siegerpose erhoben. Björn wartete ein paar Sekunden, wollte Tommy die Chance geben, sich einzustöpseln und Bosse und Niclas die Möglichkeit, sich ihre Gitarren umzuhängen, bevor er selbst auf die Bühne trat und das Gejohle da draußen – das Gejohle der Menschenfresser – zu einem einzigen Schrei anschwellen ließ. Tommy warf ihm einen sauren Blick zu und spielte den ersten Akkord, einen vorsichtigen, etwas

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