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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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los, hörte, wie es in den Lautsprechern rasselte, als es über den Bühnenboden rollte. Die Musik lief weiter, aber unsicherer jetzt, fast zahm. Er blieb einen Moment lang still stehen, ging dann plötzlich drei Schritte vor und trat zu. Robban fiel auf den Rücken und blieb liegen, starrte verblüfft nach oben, bevor er sich an die Unterlippe fasste. Sie blutete. Er versuchte aufzustehen, doch bevor er hochkommen konnte, warf Björn sich wieder auf ihn. Er hörte, wie es knirschte, als sein Schuh noch einmal Robbans Mund traf.
    Die Zähne, dachte er schnell. Ich habe dem Arschloch die Zähne ausgetreten. Und das ist herrlich, es ist so verflucht herrlich, endlich …
    Die Musik verstummte. Björn beugte sich über Robban und schlug zu. Zum ersten. Zum zweiten. Und zum dritten Mal.

Chaos.
    Er wurde hin und her geschubst, jemand hielt seine Arme fest, drehte sie ihm auf den Rücken, Tommy brüllte vor ihm etwas, versuchte sich vorzustrecken und ihn bei den Kleidern zu packen, ein Mädchen drängte sich dazwischen und schrie etwas Unartikuliertes, eine andere rief hysterisch seinen Namen: Björn! Björn! Björn! Der Mann hinter ihm trat ihm in den Hintern, und er schlug lang hin, erreichte aber nie den Boden, sondern landete mit dem Gesicht in einem roten Kleid, einem sehr kurzen roten Kleid, und atmete kurz den Duft eines Frauenschoßes ein, bevor er plötzlich spürte, wie der Griff um seine Handgelenke sich lockerte, und hörte, wie der Mann hinter ihm aufschrie – Beißt du etwa, du verfluchte Göre! – und wie jemand anderer Sekunden später etwas dahingehend rief, dass der Rettungswagen unterwegs sei, aber er kümmerte sich nicht darum, hielt sich keine Sekunde länger auf, zwängte sich durch die Menschenmenge hindurch, und während er das tat, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass die Bühne voller Leute war, sah, wie Tommy von einigen Mädchen immer weiter weggedrängt wurde, sah Niclas mit offenem Mund dastehen und Bosse lachen, als sich plötzlich eine Gasse zwischen den Mädchen auftat. Eine von ihnen winkte ihm äußerst energisch – Hier lang! –, und er überlegte gar nicht erst, sondern rannte einfach weiter, ließ zu, dass sie seine Hand ergriff und ihn in die Kulissen zog, lief hinter ihr durch den dunklen Flur, hielt immer noch ihre Hand, als sie die Tür öffnete und fluchte. Dahinter stand eine kleine Gruppe von Teenagern, Jungs und Mädchen, die sie verblüfft mit offenen Mündern angafften, aber nichts unternahmen, nur zuguckten, wie sich das Mädchen umdrehte, die Tür abschloss, den Schlüssel in die Hand steckte und schrie:
    »Macht Platz, verdammt noch mal!«
    Und sie machten Platz, bildeten eine schmale Gasse, durch die er hindurchlief, und Sekunden später holte das Mädchen ihn ein und nahm erneut seine Hand, zog ihn mit sich über den offenen Platz auf den Wald zu, rannte direkt ins Gebüsch hinein, fluchte wieder und änderte die Richtung, fand einen schmalen kleinen Pfad, so schmal, dass er ihn nie gefunden hätte ohne sie, und zog ihn hinter sich her zum großen Gunnebozaun. Der sah unüberwindlich aus, war er aber nicht. Mit geübter Hand packte das Mädchen zu und öffnete ein Loch, ein Loch, das immer größer wurde, und Sekunden später, im gleichen Moment, in dem er die ersten Sirenen hörte, ob nun vom Krankenwagen oder von der Polizei, war er aus dem Nässjö Folkets Park heraus und stand auf einer ruhigen Vorortstraße.
    »Hier lang«, sagte das Mädchen wieder und ging los.
    Björn schaute auf seine Füße. Sie bewegten sich nicht.
    »Nun komm schon!«
    Das Mädchen hatte die Hände in die Seiten gestemmt. Sie sah sehr entschlossen aus. Nicht besonders hübsch. Blass und aschblond. Pickel am Kinn. In weißer Hose und mit hellblauer Jacke. Sie kaute Kaugummi. Er trat einen Schritt vor.
    »Schön«, sagte das Mädchen. »Und jetzt komm.«
    Björn holte tief Luft, suchte seine Stimme.
    »Wohin gehen wir?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Du wirst schon sehen.«
    Schweigend gingen sie eine Ewigkeit nebeneinander her. Überall kleine Einfamilienhäuser. Brennende Straßenlaternen. Zunehmender Regen. Das Mädchen glotzte in den Himmel, als könnte sie die Wolkendecke zwingen aufzureißen, aber das nutzte natürlich nichts. Also zog sie nur die Schultern hoch und machte sich ein wenig krumm. Ging mit großen Schritten weiter. Nach einer Strecke, die sich nach etlichen Meilen anfühlte, bog sie auf einen Kiesweg ab. Hier gab es keine Wohnhäuser mehr, aber die

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