Eis und Wasser, Wasser und Eis
Song.
Zuerst bemerkte er es kaum. Glaubte, es wären nur diese Mädchen, die er genau in dem Moment anguckte, als sie nicht auf ihn schauten, ja, nicht einmal zuzuhören schienen, die mit halb offenen Mündern dahockten und auf etwas hinter seinem Rücken gafften. Tommy vermutlich. Es gab einzelne Mädchen, die Tommy vorzogen, das wusste er. In der Regel waren sie einen Kopf größer als alle anderen Mädchen. Wenn sie nicht verrückt waren. Ein Teil der Mädchen war ziemlich verrückt.
Das erste Lachen überraschte ihn. Er kam für ein oder zwei Sekunden aus dem Takt, suchte das Publikum verblüfft mit Blicken ab. Warum lachten sie lauthals? Das war ja nun nicht gerade ein urkomischer Song. Crying In The Chapel. Eigentlich war es ein ziemlich bescheuerter Song, aber er hatte trotzdem darauf bestanden, ihn ins Repertoire zu nehmen. Er hörte sich gern selbst, wenn er genau wie Elvis klang, ja, fast noch besser …
Nun lachten sie wieder. Dieses Mal noch lauter. Aber jetzt kam er nicht mehr aus der Fassung, jetzt sang er einfach weiter und dachte schnell an Pekka Langer, der in irgendeiner Sendung den Song als Geflenne in der Kapelle tituliert hatte. Vielleicht lachten sie deshalb, und der Gedanke ließ ihn einen Atemzug lang schmunzeln, bevor er die nächste Strophe begann: Every sinner in the chapel …
Jetzt johlten die Jungs mit den hohen Kragen vor Lachen, einer von ihnen stand halb auf und wedelte mit dem rechten Arm, ein anderer wischte sich mit der Hand unter den Augen entlang, der dritte schlug sich auf die Knie und hielt sich dann den Bauch. Und weit entfernt, am Rande des Publikums, wackelte der kleine Regenschirm. Sie lachte auch, seine sweet sixteen … Sogar das hässliche Mädchen, das eben noch mit gefalteten Händen dagesessen hatte, als betete sie ihn an, lachte laut mit offenem Mund. Aber sie schaute ihn nicht an. Er holte tief Luft und ließ den Blick über die Reihen schweifen. Ja. Es stimmte. Niemand sah ihn an. Alle guckten auf etwas hinter seinem Rücken.
Nächste Strophe. Meet your neighbour in the … Jetzt war er nicht mehr zu hören. Aber er dachte noch nicht daran, klein beizugeben, er sang weiter und drehte sich dabei langsam um, stellte sich ins Profil – nie dem Publikum den Rücken zuwenden, predigte Karl-Erik in seiner Erinnerung, niemals –, um zu sehen, worüber sie lachten.
Robban.
Robban war auf die Bühne gekommen. Robban war dabei, hinter seinem Rücken eine Pantomime aufzuführen. Jetzt lag er auf den Knien und tat so, als schluchzte er herzzerreißend, während er ein Seil aus der Jackentasche zog, ein Seil mit einer Schlinge, die er sich um den Hals legte. Das Publikum johlte vor Begeisterung, ein Mädchen schrie so schrill, dass ihre Stimme das allgemeine Getöse übertönte: Nein! Tu es nicht, ich liebe dich! Robban zögerte einen Moment, legte sich beide Hände aufs Herz, doch dann tat er so, als schluchzte er auf, und schob die Hand in die andere Jackentasche. Holte eine Spielzeugpistole heraus. Packte mit der Linken das Seil um seinen Hals und tat so, als erhängte er sich, während er sich gleichzeitig die Spielzeugpistole an die Schläfe hielt. Wie so eine bescheuerte Comicfigur. Neben ihm stand Tommy und grinste, er spielte und grinste und ließ seinen Blick begierig zwischen Robban und Björn hin- und herwandern. Und hinten in den Kulissen stand Eva und lachte, lehnte sich gegen eine der schwarzen Wände und lachte aus vollem Hals.
Das Gefühl war weiß. Wie leuchtendes Weiß, das ihn blendete.
Spott. Mit Spott kannte er sich aus. Er war seit seinem ersten Schultag ausgelacht worden. Weil er so süß war. Weil Inez ihn zwang, seine Hausaufgaben zu machen. Weil er der Liebling der Lehrerin gewesen war. Weil er gern sang. Weil die Mädchen ihn mochten. Weil er keine Mama und keinen Papa hatte, nur eine Inez und einen Birger.
Und das, was Robban da aufführte, das war der blanke Hohn. Er verhöhnte Björn. Verhöhnte ihn, weil er wie Elvis singen konnte. Verhöhnte ihn, weil hässliche Mädchen die Hände falteten, wenn sie ihn anschauten. Verhöhnte ihn, weil Susanne nicht seine Schwester und Eva nicht seine Freundin war. Verhöhnte ihn, weil er seine eigene Mutter kaum kannte und weil er sich heute Morgen geweigert hatte zuzuhören, als sie ihm von seinem Vater erzählen wollte.
Ein Ehemaliger. Noch vor fünf Minuten war er das nicht gewesen, aber jetzt war er es. Er war Björn Hallgren. Das ehemalige Idol.
Er hörte auf zu singen und ließ das Mikrofon
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