Eis und Wasser, Wasser und Eis
nickte stumm. Birger sah sie einen Moment lang an, steckte dann die Hände in die Hosentaschen und schaute sich um.
»Andererseits glaube ich nicht, dass es so einen großen Unterschied gemacht hätte. Ihr war ja doch egal, was ich gesagt oder getan habe. Seit Björn verschwunden ist. Da war ich ihr vollkommen gleichgültig. Und Susanne auch. Wir waren ihr scheißegal. Das hier war alles, was sie im Kopf hatte. Björn! Björn! Björn! Immer nur Björn! Björn! Björn!«
Seine Stimme schwankte. Eine schreckliche Sekunde lang fürchtete Elsie, er könnte in Tränen ausbrechen. Aber das tat er nicht. Er schloss nur eine oder zwei Sekunden lang die Augen, öffnete sie dann wieder und schaute Elsie an.
»Sie hat für Björn gelebt. Ihn hat sie geliebt. Nur Björn. Björn war der Grund, warum sie mich geheiratet hat, denn er sollte einen Vater haben. Nur Björns wegen sind wir verheiratet geblieben. Björn zuliebe war sie einverstanden, Susanne zu kriegen. Denn Björn sollte ein Geschwisterchen haben. Das war ihr einziger Grund. Leider.«
Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ab, humpelte zur Tür, drehte sich dort wieder um und schaute Elsie über die Schulter an.
»Du sagst, Susanne geht es schlecht. Das glaube ich gern. Mir geht es auch schlecht. Und Inez geht es am schlechtesten von uns allen. Es gibt nicht viel, was ich daran ändern kann. Es gibt nicht viel, was irgendwer von uns daran ändern könnte. So ist es nun einmal.«
Dann löschte er das Licht und ging hinaus auf den Dachboden, ließ Elsie zurück, ohne sich noch einmal umzusehen.
Björn hinterließ Nachrichten.
Manchmal waren sie ziemlich kryptisch, aber Inez verstand sie dennoch. Wie jetzt, als ein rotes Auto draußen vor dem Krankenhaus vorbeifuhr und jemand – Björn selbst natürlich – auf dem Rücksitz die Hand hob, sie hochhielt, ohne eigentlich zu winken. Es war wichtig, dass er nicht winkte. Niemand durfte sehen oder auch nur ahnen, das sie miteinander in Kontakt standen. Denn sie waren ja von Feinden umgeben. Die ganze Zeit. In jeder Sekunde. Inez nickte stumm vor sich hin, schaute sich dann hastig um und kontrollierte, ob jemand gesehen hatte, wie sie nickte.
Es schien nicht so. Karin Lundström war die einzige Patientin auf dem Flur, und sie ging wie üblich mit geschlossenen Augen umher und tat so, als wäre sie blind. Völlig übergeschnappt. Aber das konnte natürlich nur Schau sein, so zu tun, als wäre sie gar nicht interessiert, während sie insgeheim genaue Notizen machte … Ja, gut möglich. Und Schwester Siv, die ihr mit einem Lächeln entgegenkam, die sie jetzt anhielt und den Arm um sie legte, sie konnte diejenige sein, die die Informationen entgegennahm und dann weiterschickte. An den Oberbefehlshaber. Oder an irgendeinen Politiker. An wen auch immer, der voller Bosheit war. An wen auch immer, der voller Neid und Missgunst auf Björn war.
Aber Inez würde nicht diejenige sein, die Björn verriet. Nie im Leben. Sie hatte so allmählich raus, wie der Hase lief auf dieser Station. Hin und wieder lächelte sie einem der Feinde, die sich hier eingemietet hatten, etwas blass zu. Tat so, als wäre ihnen ihr Plan geglückt, sie zu brechen, als begriffe sie nicht, womit sie sich abgaben. Und jetzt würde sie nie wieder damit anfangen, zu schreien und Krach zu schlagen, wie sie es anfangs getan hatte. Beispielsweise in dem Moment, als sie im Waschraum der Station Björns Zahnbürste gefunden hatte. Sie stand einfach in einem Zahnputzbecher da, neben den anderen Zahnbürsten in ihren Bechern. Blau und durchsichtig. Schön. Sie ähnelte Björn so offensichtlich, dass es selbst den Feinden eindeutig klar sein musste, auch wenn sie lieber so taten, als wenn nichts wäre. Das war eine ganz deutliche Botschaft von Björn, ein so offensichtlicher Hilferuf, aber als sie das sagte, als sie Schwester Siv und den anderen erklärte, wie es sich verhielt, weigerten sich diese, ihr zuzuhören. Stattdessen banden sie sie am Bett fest und ließen sie mehrere Tage festgebunden da liegen. Und kaum war sie aus ihrem Spanngurt herausgekommen, da hatte sie seinen schwarzen Lambswoolpullover gefunden, seinen Lieblingspulli, den er so oft trug, er hing über einem Stuhl im Aufenthaltsraum. Noch ein Hilferuf. Und wieder einige Tage in Fesseln für sie.
Danach war sie vorsichtiger geworden. Und raffinierter. Ebenso listig wie ihre Feinde. Sie sagte fast nichts mehr, nicht einmal Birger, der jeden Samstag kam und stundenlang bei ihr saß, lauernd,
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