Eis und Wasser, Wasser und Eis
ohne sie? Warum sollte er nicht allein leben können? Oder sogar mit jemand anderem?
Nein. Er will nicht daran denken. Er muss an etwas anderes denken. Hier und jetzt.
Susanne ist keine große Hilfe. Sie sitzt schweigend da, beide Hände um ihre Tasse, und schaut in die Ferne. Es ist Anders, der schließlich den Teller von sich schiebt, sich nach seiner Kaffeetasse reckt und eine Konversation einleitet.
»Wo sind all die Leute?«
Sie blinzelt erneut und sieht ihn an, etwas verwundert, als hätte sie vergessen, dass er hier sitzt, an ihrem Tisch.
»Die sind an Deck. Bereiten die Rosette vor, nehme ich an.«
Anders hat seine Tasse angehoben, trinkt aber nicht.
»Die Rosette?«
Sie lächelt ein wenig.
»Wasserproben. Sie haben da so ein Ding, das ins Meer versenkt werden soll, um Proben zu entnehmen, jetzt, wo wir nicht fahren. Das wird Rosette genannt.«
Er verzieht das Gesicht.
»Warum das? Ich dachte, es wird die ganze Zeit Wasser ins Labor gepumpt …«
Sie nickt.
»Das schon. Aber das hier ist etwas anderes. Sie entnehmen Proben auf verschiedenen Levels im Meer. Um Salzgehalt und Temperaturen und so zu überprüfen. Aber so genau weiß ich das auch nicht. Ich gebe nur wieder, was Ulrika erzählt hat. Ich glaube nicht, dass ich alles verstanden habe.«
Sie stellt ihre Tasse ab und schaut weg. Aber Anders lässt nicht locker:
»Warum wird es Rosette genannt?«
Sie sieht ihn an.
»Das weiß ich nicht.«
Einen Moment lang bleibt es still, beide wenden den Blick ab.
»Wie geht es deinem Patienten?«, fragt Susanne dann.
Anders antwortet mit einem Achselzucken.
»Nicht besonders. Er ist vor einer Weile aufgewacht, und da ging es ihm ziemlich schlecht.«
»Der Kater.«
Das ist keine Frage. Eher eine Feststellung.
»Tja. Und dann hat er natürlich Schmerzen. In der Hand.«
»Ja. Kann ich mir denken.«
»Aber jetzt ist er in seine eigene Kajüte gegangen und hat sich dort hingelegt.«
»Aha.«
Sie scheint nicht besonders interessiert zu sein, und wieder verstummen beide. Einen Moment lang fällt ihm ein, dass Susanne die Schwester von Björn Hallgren ist, und ebenso schnell überlegt er, ob er sie danach fragen sollte. Vielleicht spürt sie das und will ihm zuvorkommen. Plötzlich steht sie auf und geht zur Kaffeemaschine, füllt langsam ihre Tasse und kommt dann zurück.
»Das klang richtig schön«, sagt sie dann.
Er schaut auf, betrachtet sie. Sie sieht heute anders aus. Ihre Augen glänzen. Ihre Wangen sind leicht gerötet, nicht viel, aber es genügt, dass sie nicht mehr so problembeladen aussieht.
»Was?«
»Was Ulrika von den verschiedenen Höhenbereichen im Meer erzählt hat. Das klang, als gäbe es im Meer viele Meere, alle mit unterschiedlichem Salzgehalt und anderer Temperatur. Als läge das Wasser in Schichten und würde sich für etwas anderes ausgeben. Metall. Oder ein schwimmendes Gesteinslager.«
Sie hält inne, sieht verlegen aus, bevor sie schnell ihre Tasse anhebt und in großen Schlucken trinkt. Anders weicht mit dem Blick aus, will sie nicht in noch größere Verlegenheit bringen.
»Das ist ein schönes Bild«, sagt er.
»Ja«, sagt sie und lächelt ihm plötzlich direkt ins Gesicht. »Das ist wirklich ein sehr schönes Bild.«
Die Welt draußen ist immer noch vom Nebel verdeckt, aber inzwischen in der weißen Nuance des Tages. Trotzdem erscheint der Nebel jetzt dicker als in der Nacht. Der Horizont ist nicht zu erkennen, man kann nur wenige Meter von dem Meer um das Schiff herum sehen.
Draußen auf dem Achterdeck hängt ein Matrose an einem hohen Kran und versucht die Kette zu befestigen, die die Rosette halten soll. Das ist nicht einfach. Ulrika steht darunter, ruft Anweisungen und wedelt mit den Armen, alle anderen Forscher halten respektvollen Abstand, bis die Kette fest sitzt und ordentlich gespannt ist, da laufen sie vor, jeder zu seinen Flaschen.
John steht ein Stück entfernt und betrachtet das Ganze. Er raucht. Als Susanne an Deck kommt, bleibt sie etwas abseits stehen und beobachtet ihn. Er sieht heute älter aus. Grauer. Selbst die Haare sind eher grau als weiß. Rasch streicht sie sich über das eigene Haar, dieses krause, sandfarbene Haar, das offenbar nie seine Farbe oder Beschaffenheit ändert. Sieht sie genauso alt aus? Oder noch älter? Der Gedanke ist ihr unangenehm, er hat etwas von Scham an sich, und deshalb versucht sie ihn wegzuschieben, doch darunter verbirgt sich ein anderer. Warum machen die das?, denkt sie plötzlich. Warum wollen Menschen
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