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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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das Meer wiegen und messen?
    Sie schüttelt schnell den Kopf über sich selbst, geht dann zu John und klopft ihm auf den Rücken.
    »Hallo«, sagt sie lächelnd, als er sich umdreht. »Hast du eine Zigarette für mich? Nur bis der Schiffsshop öffnet?«
    Er verzieht das Gesicht zu etwas zwischen einem Lächeln und einer Grimasse.
    »Oh, Scheiße.«
    Susanne tritt einen Schritt zurück.
    »Bitte?«
    »Ich habe dich auf Abwege geführt. Entschuldige.«
    Susanne schiebt die Hände in die Taschen und zieht die Schultern hoch. Es kribbelt unter der Haut vor Lust zu rauchen. Sie grinst breit:
    »Ach. Kein Problem. Ich höre auf, sobald ich will.«
    Er hört das, was er hören will:
    »Sobald du an Land kommst?«
    »Genau.«
    Endlich zieht er das Päckchen aus der Tasche. Sie zwingt sich, die Hände in den Taschen zu lassen, spielt und dreht an dem Springmesser, bis er die Bewegung ausgeführt hat. Dann zieht sie die Hand heraus, greift nach einer Zigarette und beugt sich über sein Feuerzeug. Der Genuss ist größer als gestern, aber da lauert noch etwas darunter. Etwas, das eine Bürde und eine Erleichterung zugleich ist. Sie nimmt noch einen Zug und wendet sich dann John zu.
    »Hast du mit deinen Computerbildern angefangen?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Erst wenn wir wieder losfahren.«
    Er zuckt mit den Schultern und guckt zur Rosette. Die hängt jetzt in der Luft, hinter ihr ist es weiß vom Nebel.
    »Und wann wird das sein?«
    »Keine Ahnung. Das hängt wohl davon ab, wann wir losfahren können. Was wiederum vom Eislotsen abhängt. Die Frage ist, wann er rüberkommen kann …«
    Susanne verzieht leicht das Gesicht, sagt jedoch nichts. Beide stehen reglos da und sehen, wie die Rosette einen Moment lang an ihrer Kette baumelt, bis sie ins Meer versenkt wird. Sie gleitet mit einem Plumps ins Wasser, dann rasselt die Kette, und die Winde beginnt sich zu drehen. Susanne zieht die Schultern hoch. Es ist kalt.
    »Du denkst an den Nebel?«
    »Ja«, sagt John. »Ich denke an den Nebel.«
    Aber der Nebel lichtet sich nicht, im Gegenteil, es zieht im Laufe des Vormittags weiter zu, und er scheint immer dichter zu werden. Ungeduld breitet sich auf dem Schiff aus. Im Labor wird festgestellt, dass dort der Quecksilbergehalt der Luft unverhältnismäßig hoch ist, und bei einer eilig einberufenen Besprechung wird beschlossen, dass es Viktors Schuld ist, die Schuld des schüchternen, jungen Doktoranden, der über Quecksilber forscht. Er muss irgendwie ein Leck verursacht haben, und es nutzt nichts, als er versucht zu erklären, dass er das wirklich nicht getan haben kann, dass all sein Quecksilber in sicherer Verwahrung ist. Er muss raus! Er kann seine Sachen nehmen und in seinem kleinen Container verschwinden, wie schwierig und lästig es dort auch ist. Man kann einfach nicht riskieren, dass die Proben der anderen kontaminiert werden. So! Verschwinde!
    Oben sitzt Lars frierend auf dem vierten Deck und starrt in den Nebel. Nicht ein Vogel zu sehen, in welche Richtung er sein Fernglas auch wendet, während Göran, der im Radarcontainer auf dem Achterdeck hockt, hartnäckig per Walkie-Talkie behauptet, dass sich ein Schwarm Möwen um das Schiff herum bewegt.
    »Ich sehe sie nicht«, zischt Lars in die Muschel. »Over!«
    »Auf Viertel vor zwei«, ruft Göran. »Und ganz dicht bei dir! Over!«
    »Ist mir scheißegal. Sie sind nicht zu sehen. Over!«
    »Warum bist du denn so sauer? Over!«
    »Ich bin nicht sauer. Ich sehe nur ganz einfach keine Möwen. Und höre genauso wenig. Over!«
    »Dann scheiß drauf. Over!«
    »Genau das tue ich. Over!«
    Bernhard und Eduardo, der Fernsehjournalist und sein Kameramann, geraten oben auf der Brücke in einen offenen Streit. Forscher und Besatzung hören demonstrativ weg. Alle sind plötzlich emsig damit beschäftigt, auf ihre Computermonitore zu starren, Aufzeichnungen im Logbuch zu machen oder den Nebel mit ihren Ferngläsern zu durchdringen – während sie ganz genau hinhören. Nicht, dass auch nur einer verstehen würde, worum es bei dem Streit eigentlich geht.
    »Habe ich doch gesagt!«, schimpft Bernhard.
    »Ich weiß ja wohl, was du gesagt hast«, faucht Eduardo. »Aber ich sage, das geht nicht.«
    »Gib mir die Kamera!«
    »Den Teufel werde ich tun. Die ist eine halbe Million wert. Und sie gehört mir.«
    »Und wer hat die Bürgschaft übernommen? Hä?«
    Er will gerade die Hand heben und die Kamera an sich reißen, als Fredrik eingreift; er schaut lächelnd von seinem Radarschirm

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