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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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keinen Ton mehr herausbrachte? Oder wenn er den Einsatz verpasste, wenn er plötzlich wie ein Idiot im englischen Fernsehen stand und seinen Einstieg in einen Song nicht fand, den er schon Hunderte von Malen gesungen hatte?
    Er schloss die Augen und nahm einen tiefen Zug. Das würde nicht passieren. Es war noch nie passiert, und das würde auch dieses Mal nicht passieren. Er war Björn Hallgren. Das durfte er nicht vergessen. Und Björn Hallgren verpatzte nichts. Es ging nur darum, sich das ins Gedächtnis zu rufen. Er veränderte die Haltung, wechselte den Schwerpunkt von der linken Hüfte auf die rechte und blies den Rauch aus, sah, wie er sich wie eine kleine weiße Wolke in der Dunkelheit ausbreitete. Aber, dachte er und musste bei diesem vertrauten Gedanken leicht schmunzeln, wer ist eigentlich Björn Hallgren?
    Das elternlose Kind … Die Worte huschten so schnell durch seinen Kopf, dass er nicht dagegen ankam, es dauerte eine Sekunde oder zwei, bevor es ihm gelang, sie wieder zu vertreiben. Er war schließlich nicht elternlos. Er hatte ja eine Mutter, die er außerdem heute treffen sollte. Und irgendwo hatte er ja wohl auch einen Vater, auch wenn es lange her war, dass er überhaupt an diesen Idioten gedacht hatte. Fantasien aus seiner Kindheit regten sich im Hinterkopf – ein König, ein Fußballspieler, eine Berühmtheit –, und er verzog das Gesicht. Sicher. Verdammt, es war viel wahrscheinlicher, dass sein Vater ein alter Alki war oder ein Seemann auf Frührente. Vielleicht würde ihm bald klar werden, dass er der Papa eines Popstars war, vielleicht würde er auftauchen wie andere verschwundene Väter vor ihm und seinen claim to fame fordern. Aber Björn dachte gar nicht daran, sich mit ihm zu treffen. Er würde auf keine diesbezüglichen Fragen der Journalisten antworten, und wenn er es doch täte – aber nur wenn –, dann würde er betonen, dass der Beitrag des alten Knaben höchst marginal war. Eine Spermie. Und dass das nicht genügte, um sich mit Björn Hallgren treffen zu dürfen. Ganz und gar nicht.
    Er steckte sich die Zigarette wieder in den Mund und stellte fest, dass sie erloschen war. Er hatte nicht darauf geachtet, sie in seiner Hand geschützt zu halten, damit der Regen sie nicht traf. Scheiß drauf. Er warf die Kippe weg und zog die Schultern hoch. Also: Wer war Björn Hallgren nun? Er musste wieder lächeln.
    Vor einem Jahr war Björn Hallgren eine achtzehnjährige Unschuld gewesen. Ein ziemlich nervöser Typ mit schlechten Noten, der des Nachts wach lag und darüber nachdachte, ob er jemals mit einem Mädchen schlafen würde, einer von der ängstlichen Sorte, der sich auf den Schulfesten, bei denen er und seine Kumpel aus der Band Moonlighters immer spielten, nie von der Bühne hinunterwagte, ein ängstlicher Hosenscheißer, der sich einfach nicht traute, nach einem der Mädchen zu greifen, die schmachtend da unten standen … Bis diese Ann-Sofie ihn in Helsingborg mehr oder weniger in die Mädchenumkleide hinter der Turnhalle gezerrt und die Sache geregelt hatte. In zwei Minuten war es vorbei gewesen, aber dabei hatte es sich um äußerst denkwürdige zwei Minuten gehandelt. Zumindest für ihn.
    Hinterher war er wie ausgewechselt gewesen. Die Jungs in der Band hatten das gemerkt und ihn angegrinst. Die Mädchen in der Schule hatten ihm schöne Augen gemacht. Und Inez hatte ihn eine ganze Woche lang mit ihren Blicken verfolgt. Sie hatte die ganze Zeit eine Falte auf der Stirn, eine kleine Falte, die verriet, ihr war nicht entgangen, dass er sich selbst von der Leine gelassen und sich herumgetrieben hatte. Nur Susanne und Birger hatten nichts gemerkt, aber so war es ja immer. Susanne war zu klein. Und Birger hatte ein eingeschränktes Blickfeld. Hatte er immer schon gehabt.
    Wer also war Björn Hallgren? Wenn man nun von dieser Sache mit dem Popstar absah. War er nur der Junge, der mit Ann-Sofie geschlafen hatte? Nein. Er war der Junge, der seitdem mit sieben Mädchen geschlafen hatte – nein, acht! Und außerdem war er der Junge, der gestern in einer Einfahrt auf der Stora Norregatan gleich neben Salomonssons Parfümerie lässig an die Wand gelehnt gestanden hatte, der Junge, der gesehen hatte, wie Evas Gesicht erstrahlte und zu leuchten begann, sobald sie aus dem Laden kam und ihn erblickte.
    »Björn!«
    Er zuckte zusammen und drehte sich um, blinzelte die Vorstellung fort, dass er offenbar Menschen mit bloßer Gedankenkraft herbeizaubern konnte, starrte sie dann an.
    »Eva? Bist du

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