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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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das?«
    Heute strahlte sie nicht, leuchtete auch nicht. Sie war blass, fast weiß im Gesicht, und hatte große schwarze Augen. Oder schwarz geschminkte.
    »Ja«, sagte sie atemlos, bevor sie, offenbar von plötzlicher Schüchternheit übermannt, die Augen niederschlug. »Ich bin’s.«
    »Was machst du hier?«
    Er hörte selbst, wie unfreundlich das klang, und versuchte schnell, es mit einer Entschuldigung abzumildern.
    »Es ist ja noch so früh.«
    Mit großen, feuchten Augen schaute sie zu ihm auf.
    »Ich wollte dich nur begleiten. Zum Flugzeug.«
    Björn zog die Schultern hoch und trat einen kleinen Schritt zurück. Das war eine kaum merkliche Bewegung, ein heimliches Abstand-Wahren, aber sie genügte, dass Evas Gesicht für einen Moment vollkommen ausdruckslos wurde. Dann lächelte sie plötzlich, ein strahlend weißes Lächeln, gefolgt von einem übermütigen Aufblitzen in den Augen.
    »Ach, ich mache doch nur Spaß. Ich muss sowieso heute nach Kopenhagen. Und da habe ich gedacht, es trifft sich doch gut, wenn ich dich erst mal begleite.«
    Er ließ die Schultern sinken, aber der Rücken war immer noch angespannt und steif. Er trat nicht wieder näher.
    »Was willst du denn in Kopenhagen?«
    Wieder lächelte sie:
    »Freunde treffen. Und in Geschäfte gehen. Kleider kaufen.«
    »Davon hast du gestern nichts gesagt …«
    Sie zuckte mit den Schultern und warf ihm einen schnellen Blick zu:
    »Ein Mädchen darf ja wohl seine Geheimnisse haben …«
    In dem Moment kam Bewegung in die Schlange. Zeit, an Bord zu gehen. Eva schob ihren Arm unter seinen und ließ ihre Wange über den Mantelärmel streifen.
    »Aber wenn du keine Begleitung haben möchtest, dann kann ich bis zur nächsten Fähre warten«, sagte sie.
    Björn fuhr sich schnell mit der Zunge über die Lippen und sah sie lächelnd an:
    »Nein«, antwortete er. »Natürlich kommst du mit mir.«
    Elsie setzte sich auf die Sofakante, umklammerte ihre Handtasche und schaute sich um.
    Es waren viele Leute in der Lobby, Menschen jeden Alters und jeder Nationalität liefen hin und her, sie gingen ein und aus, die Treppen hinauf und wieder hinunter, setzten sich auf eines der dunkelroten Plüschsofas und standen wieder auf, warfen einen Blick auf sich selbst in einem der goldgerahmten Spiegel, bevor sie sich den Rücken zuwandten und mit hastiger Geste einen Piccolo zu sich heranwinkten, einen jungen oder alten Mann, angetan mit einer leicht abgetragenen Fantasieuniform in Rot und Gold. Hinter dem Rezeptionstresen standen vier Männer in altmodischen Jacketts und eine junge Frau in einem schwarzen Kostüm. Zwei von ihnen beugten sich vor und hörten mit ernstem Gesicht den Gästen auf der anderen Seite des Tresens zu, die anderen drei standen mit gesenktem Blick über Papiere und Ordner gebeugt. Die Frau in dem schwarzen Kostüm lächelte eine ältere Dame an, aber diese erwiderte das Lächeln nicht, warf der Frau nur einen schnellen Blick zu, während sie ihre Handtasche öffnete, drehte sich dann halb weg.
    Es war sehr still. Die Geräusche drangen von außen herein – Autos auf der Straße und Klaviermusik in der Bar –, aber in der Lobby selbst war so gut wie nichts zu hören. Man konnte sehen, dass Menschen miteinander sprachen, aber wenn man nur ein paar Meter entfernt stand, ließ sich unmöglich verstehen, was sie sagten. Vielleicht war der Architekt zufällig auf den Goldenen Schnitt gestoßen, als er den Raum skizzierte, oder Höhe und Breite waren exakt berechnet worden, um alle Geräusche zu dämpfen. Wenn es nun doch an der Auslegware lag? Oder daran, dass man automatisch die Stimme senkte, wenn man die Lobby betrat. Um nicht zu stören. Um das Spiel mitzuspielen.
    Denn es war ein Spiel, das hier vor sich ging. Eine stumme Übereinkunft zwischen all den Menschen, die hier verkehrten. In diesem Augenblick bin ich jemand anderer, genau jetzt wohne ich in dieser Welt, die niemand von uns gesehen hat, die aber dennoch alle besucht haben. Der Mann, der sich da hinten über den Empfangstresen beugte, sah zwar aus wie ein englischer Oberst, war aber sicher Direktor irgendeiner Brauerei. Oder vielleicht einer Baufirma. Und die Frau, die gerade aufstand und sich den Rock glatt strich, sah zwar aus wie ein amerikanischer Filmstar, war aber tatsächlich ein frisch gebackenes Callgirl, das sich Sorgen machte, möglicherweise den Mann nicht zu erkennen, der sie hierher bestellt hatte. Ganz zu schweigen von dem Paar mit Hakennase auf dem Sofa daneben. Sie sahen aus

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