Eis und Wasser, Wasser und Eis
Frauen weiter hinten ihr Gespräch unterbrachen und sie einen Moment lang ansahen. Sie versuchte ihnen ein beruhigendes Lächeln zuzuwerfen und hob ihre Tasse. Worauf die beiden den Blick wieder abwendeten und ihr Gespräch erneut aufnahmen.
Unruhe. Das war natürlich die Antwort. Sie war unruhig. Ängstlich. Nervös. Hatte Angst vor der Begegnung, die ihr bevorstand. Wie sie immer vor ihren Treffen mit Björn unruhig gewesen war. Angst gehabt hatte, dass er dieses Mal, ausgerechnet dieses Mal, die beiden Fragen stellen würde, die er nie gestellt hatte, diese beiden Fragen, die zwischen ihnen standen, die immer schon zwischen ihnen gestanden hatten und die mit jedem Jahr, das verging, anschwollen und immer größer wurden. Bald würden sie sich nicht mehr im selben Haus aufhalten können, die unausgesprochenen Fragen würden den gesamten Raum beanspruchen.
Vielleicht wurde es Zeit, sie endlich zu beantworten.
»London«, sagte Tommy lächelnd.
»Yes!« , erwiderte Peo und lehnte sich zurück, strich mit der Hand über den Ledersitz. »London.«
Björn sagte nichts, saß nur lächelnd auf dem heruntergeklappten Notsitz mit dem Rücken zum Fahrer.
»Zum Str-a-a-a-nd Palace Hotel«, sagte Niclas.
»Strandpalast«, sagte Bosse und hielt sich am Türgriff fest, um das Gleichgewicht zu halten, während die schwarze Limousine der Plattengesellschaft anfuhr und aus der Auffahrt auf die Straße bog. Er saß auch auf einem Notsitz.
»Noch jemand außer mir, der hier schon mal gewesen ist?«, fragte Tommy und wühlte in seiner Tasche nach Zigaretten.
Keiner antwortete, keiner schüttelte auch nur den Kopf, da die Frage schon früher gestellt und beantwortet worden war und da die Antwort außerdem Tommy einen Pluspunkt und den anderen Minuspunkte einbrachte. Alle guckten aus dem Fenster und starrten stumm auf die fremde Welt da draußen. Nur eine Sache war wie gehabt: das schwarze Taxi hinter ihnen. Mit Reporter und Fotograf vom Bildjournal.
Vielleicht lag es daran, dass er zu wenig geschlafen hatte. Oder daran, dass er nervös war. Wieder Lampenfieber hatte. Aber es war ein merkwürdiges Gefühl, so, als wäre nichts wirklich. Es schien, als führen sie durch einen Tagtraum. Als wäre er selbst zu einer Traumfigur geworden. Als könnte er sich die anderen Jungs wegdenken, als säße Karl-Erik nicht neben dem Fahrer der Plattenfirma vorn auf dem Beifahrersitz …
Er blinzelte und schaute sich um, sog alle Farben in sich auf – Tommys leuchtend rote Jacke, Peos schwarzen Hemdkragen, Bosses weißblondes Haar – und alle Details hinter dem Wagenfenster. Reihenhäuser aus roten Ziegeln. Handgemalte Schilder über den Geschäften. Ein Mädchen in blauem Mantel und weißen Strümpfen. Eine Frau mit einem Tuch um den Kopf und einer schwarzen Einkaufstasche. Das war wirklich. Alles. Er musste sich daran erinnern. Er durfte sich selbst nicht erlauben zu glauben, dass es nur ein Traum wäre. Das, was niemals hätte passieren können, war tatsächlich passiert. Es passierte jetzt, in diesem Augenblick.
»Nun, Jungs«, fragte Karl-Erik vom Beifahrersitz aus. »Ein gutes Gefühl?«
»Ein saugutes Gefühl«, sagte Tommy und zündete sich eine Zigarette an.
»Fantastisch«, sagte Peo.
»Gigantisch«, sagte Niclas.
»Einfach saustark«, sagte Bosse.
Einen Moment lang blieb es still.
»Und, Hallgren?«, fragte Karl-Erik.
Björn blinzelte.
»Doch. Echt toll.«
»Du vermisst das Mädchen nicht?«
Tommy grinste. Björn fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Was?«
Karl-Erik klang amüsiert.
»Na, dieses Mädchen in Kastrup.«
»Ach die«, sagte Björn.
»Wie heißt sie?«
»Eva.«
Eine Weile blieb es still. Björn starrte aus dem Fenster.
»Ist das dein Mädchen?«, fragte Peo schließlich.
Björn veränderte seine Haltung, wusste nicht so recht, was er antworten sollte. War sie sein Mädchen? Nein. Doch. In gewisser Weise wohl schon. In gewisser Weise hatte sie sich dazu gemacht, indem sie morgens an der Fähre aufgetaucht war. Oder als sie sich ihm am Flughafen an den Hals geworfen hatte, genau in dem Moment, als der Fotograf vom Bildjournal die Kamera hob. Wenn Karl-Erik nicht eingegriffen hätte, dann wäre sie in der nächsten Ausgabe dabei gewesen. Was nicht gut gewesen wäre. Gar nicht gut.
»Das ist nur ein Mädchen«, sagte er.
Tommy grinste.
»Ööh«, machte er und stieß Peo in die Seite. »Das ist nur ein Mädchen.«
Peo erwiderte das Grinsen.
»Ach so, ein Mädchen.«
Er hörte das Schmunzeln in
Weitere Kostenlose Bücher