Eis und Wasser, Wasser und Eis
an die Wand zurücklehnte. Es gab nur drei Stühle in dem kleinen Raum, und die waren bereits von Tommy, Niclas und diesem Peo in der türkisen Hose belegt. Björn saß in der Fensternische und kaute an einem Fingernagel, es sah aus, als hörte er gar nicht zu, und Bosse stand mit geschlossenen Augen da, lehnte sich an die Wand ihr gegenüber. Er war so weißblond, dass sie sich fragte, ob er sich vielleicht Wasserstoffsuperoxid ins Haar gekippt hatte.
»Außerdem«, sagte Karl-Erik und runzelte die Stirn, während er Tommy ansah. »Außerdem solltest du verdammt dankbar dafür sein, dass wir hier sind.«
Tommy wandte den Blick ab und verzog das Gesicht. Was er dachte, war ihm anzusehen: dankbar!
Es blieb noch eine Weile still. Karl-Erik stand breitbeinig mitten im Raum, immer noch mit verschränkten Armen, und nahm sie ins Visier, einen nach dem anderen. Keiner von ihnen sah ihn an. Björn starrte auf etwas draußen vor dem Fenster und kaute immer noch an seinem Nagel.
»Sind wir uns einig?«
Karl-Eriks Stimme war um eine Oktave gesunken. Vielleicht hatte er erwartet, dass das Schweigen anhalten würde, aber Björn nahm plötzlich den Finger aus dem Mund und sagte:
»Ich weiß nicht, wie man das macht.«
Die anderen starrten ihn an, aber Björn schien das gar nicht zu bemerken. Er schaute immer noch aus dem Fenster.
»Wir haben noch nie Playback gespielt. Wie macht man das?«
Tommy richtete sich auf und zog die Augenbrauen hoch, ließ dann mit einem leichten Lächeln seinen Blick in der Runde kreisen. Auch die anderen lächelten. Bosse zog sogar die Augenbrauen genau wie Tommy hoch. Elsie stellte fest, dass sie sich auf die Unterlippe gebissen hatte, ließ los und fuhr sich mit der Zunge über die schmerzende Stelle.
»Tja«, sagte Tommy und wandte sich direkt an Karl-Erik. »Du hörst ja selbst.«
Das Studio war groß und schwarz. Ganz vorn stand eine kleine Bühne, im Augenblick noch leer, denn es waren noch mehrere Stunden bis zur Sendung, aber unten vor der Bühne drängte sich bereits jetzt ein Teil des Publikums. Das war eine Gruppe auffallend gut aussehender Teenager, mit frisch gewaschenen Haaren, nach Shampoo duftend und nach dem neuesten Trend gekleidet. Elsies Gedanken wanderten kurz zu dem Mädchen, das sie am Vormittag gesehen hatte, die kleine Lumpenpuppe in dem schmuddeligen rosa Mantel mit der breiten Laufmasche in den weißen Strümpfen. Sie würde hier niemals Zutritt bekommen. Falsche Sorte. Andererseits wäre sie selbst auch fast nicht hereingekommen, ein Ordner hatte sie an der Tür aufgehalten, und erst nach Karl-Eriks Eingreifen war ihr der Zutritt erlaubt worden. Gleichzeitig hatte der Wachmann ihr ganz genau die Bedingungen erklärt. Elsie musste aufpassen, dass sie nicht ins Bild kam, sie durfte sich nicht so über ihren Sohn begeistern, dass sie in den Lichtkegel trat, der unterhalb der Bühne war und gezeigt wurde. In dieser Sendung durfte niemand zu sehen sein, der älter als fünfundzwanzig war. Die Illusion musste aufrechterhalten werden. Die Jugend war das Einzige, was existierte. Sorgfältig ausgesuchte Jugend.
Einige Scheinwerfer huschten über das Publikum vor der Bühne und tauchten Haar und Haut der Jugendlichen in wechselnde Farben, von einem hellen, fast eisblauen Ton bis zu warmem Orange.
»Sie testen das Licht«, sagte jemand neben Elsie. Auf Schwedisch.
Sie drehte den Kopf und sah einen jungen Mann neben sich stehen, aber es dauerte einen Moment, bis ihr einfiel, wer es war. Mats. Dieser ganz junge Journalist vom Bildjournal. Sie nickte lächelnd, aber ihr fiel nichts ein, was sie hätte erwidern können. Mats warf ihr einen Blick zu, der ihren ganzen Körper abtastete, bevor er fortfuhr:
»Haben Sie sie schon mal gehört? Live , meine ich?«
Elsie lächelte bedauernd.
»Nein. Leider nicht. Ich fahre ja zur See, wissen Sie.«
»Aber Sie sind doch Björns Mutter, nicht wahr? Seine richtige Mutter?«
Elsie wich seinem Blick aus:
»Doch, ja. Aber Björn ist bei meiner Schwester aufgewachsen. Wir sind Zwillinge. Genau gleiche Kopien.«
Warum sagte sie das immer? Warum war das der Spruch, der ihr immer als Erstes auf der Zunge lag, wenn jemand sie nach Björn fragte? Sie hörte doch selbst, wie das klang. Wie eine Verteidigung. Außerdem war Inez wohl kaum länger eine identische Kopie von ihr, das war sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie war zu einer Fremden geworden, einer verbitterten, mürrischen Fremden, die Björn mit Beschlag belegt hatte und so
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