Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
Vom Netzwerk:
hatte, jetzt umso lauter Eric Burdon bejubelte. Und sie hatten allen Grund dafür. Das hier war etwas ganz anderes als der seichte Popbrei, den sie selbst zustande gebracht hatten. Das hier war Musik. Richtige Musik. Außerdem war Burdons Stimme etwas ganz Besonderes. Sie war wie ein Porträt seiner Person, ein untersetzter, kräftiger Kerl mit einer untersetzten, kräftigen Stimme.
    Björn trat einen Schritt vor und stieß mit dem Ellbogen gegen jemanden. Tommy drehte sich zu ihm um, sein Gesicht war vollkommen leer, ohne jede Spur von Hohn oder Überheblichkeit.
    »Oh, Scheiße«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Scheiße, sind die gut.«
    Björn nickte.
    »Ja. Verdammt gut.«
    Jemand legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Nix da«, sagte Karl-Erik. »Ihr seid viel besser.«
    Björn machte eine kleine Bewegung, eine äußerst diskrete kleine Drehung, durch die er aus Karl-Eriks Griff herauskam.
    »Nein«, sagte er. »Das sind wir nicht.«
    Tommy nickte neben ihm.
    »Nein«, sagte er in exakt dem gleichen Ton. »Das sind wir wirklich nicht.«

»Stell dich nicht so an«, sagte Inez laut zu sich selbst. Sekunden später schaute sie sich ängstlich um. Das verstimmte sie. Diese Bewegung war genauso falsch wie der Gedanke, den sie gedacht hatte, bevor sie angefangen hatte, mit sich selbst zu reden. Sie wusste doch, dass es niemanden gab, der sie gehört hatte. Es war menschenleer auf dem Pier. Es war menschenleer in ganz Borstahusen.
    Warum also hatte sie versucht, sich selbst zu belügen? Warum hatte sie sich erlaubt, den Gedanken zu denken: Wo bin ich? Sie wusste doch nur zu gut, wo sie war. Sie war an einem Ort, an dem sie schon hundertmal zuvor gewesen war, an einem Platz, an dem sie sich tagein, tagaus gesonnt hatte, Woche für Woche, als Björn und Susanne noch zu klein waren, um allein baden zu gehen. Am Pier in Borstahusen. Das Fischerdorf vor Landskrona. Auch wenn es jetzt Winter und dunkel um sie her war, aber nicht so dunkel, dass sie nicht sehen konnte, wo sie ging. Außerdem war es windig und eiskalt, aber nicht kalt genug, dass sie umkehren und nach Hause gehen müsste. Sie schlug nur den Mantelkragen hoch und schob die Hände in die Ärmel. Lieber erfrieren als nach Hause gehen.
    Was jedoch so auch nicht stimmte. Sie war weit davon entfernt, zu erfrieren. Aber sie wollte eine Zeit lang hier reglos stehen bleiben, bis sie aufhörte, sich selbst zu belügen. Das war eine Strafe. Eine gerechte Strafe. Eine Strafe, die zu verhängen und zu verbüßen ihr außerdem gefiel. Ein Genuss.
    Ach was. Was war nur mit ihr los? Warum konnte sie sich selbst gegenüber nicht ehrlich sein? War sie nicht immer ein ehrlicher Mensch gewesen? Rechtschaffen. Wahrheitsliebend. Warum um alles in der Welt stand sie also jetzt hier im Wind und belog sich selbst, während sie auf das schwarze Wasser hinausstarrte, Wasser, das über den Rand des Kais schlug und den Asphalt nass machte? Sie sollte nach Hause gehen. Genau das sollte sie tun. Nach Hause gehen und Essen kochen für den nimmersatten Birger und die immer gleich mürrische Susanne, nach Hause, sich aufs Fernsehsofa setzen und auf irgendetwas stieren, was auch immer es sein mochte, was da als Samstagsunterhaltung gezeigt wurde. Nach Hause, um dann dort zu hocken und sich über Birgers Glucksen und Brummen zu ärgern und …
    Liebte sie ihn? Nein. Das hatte sie nie getan.
    Sie schloss die Augen. Das war ein wahrer Gedanke. Ehrlich. Und trotzdem ein Gedanke, den sie nie zuvor zu denken gewagt hatte.
    Und Susanne? Liebte sie sie?
    Der Wind frischte auf, und Inez zwang sich, die Augen zu öffnen; rasch wich sie ein paar Schritte zurück. Zwang sich dann erneut, still zu stehen und sich dagegenzustemmen. Zwang sich zu einer Antwort.
    Liebe ich Susanne? Ja. Doch. Das tue ich wohl.
    Ihr Kopf sank hinunter. Sie schaute auf ihre Stiefel. Ihre schwarzen, blank geputzten Lederstiefel. Dachte kurz an ihre eiskalten Zehen, in einem Versuch, sich selbst zu entkommen.
    Und?
    Tja.
    Warum hatte Susanne mit diesem Mädchen in der Konditorei gesessen? Mit diesem viel älteren Mädchen. Dieser achtzehnjährigen Eva Salomonsson. Natürlich gab es nur eine Antwort auf diese Frage, und das war eine unangenehme Antwort, die juckte und zwickte und sie Susanne gegenüber sowohl Mitleid als auch Neid empfinden ließ. Eva war natürlich nicht darauf aus, sich mit Susanne anzufreunden. Sie war hinter Björn her. Oder besser gesagt, hinter Björns Berühmtheit.
    Inez schnaubte so laut, dass sie es

Weitere Kostenlose Bücher