Eisberg
er bereits angefangen zu schmelzen, und zwar mit einer Geschwindigkeit von mehreren tausend Tonnen in der Stunde. Sobald er in das wärmere Wasser des Golfstroms gerät, existiert er keine zehn Tage mehr. Die einzig offene Frage ist, wann das Schiffswrack frei wird. Möglicherweise ist es bereits gesunken. Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht bleibt es noch ein paar Tage über Wasser.«
»Wie weit, meinen Sie, müssen wir fliegen?« fragte Pitt.
»Schätzungsweise 160 bis 170 Kilometer«, entgegnete Hunnewell.
Koski sah zu Pitt hinüber. »Sobald Sie abgehoben haben, nehme ich die Geschwindigkeit auf ein Drittel zurück und halte einen Kurs von 1-0-6 Grad ein. Wie lange werden Sie brauchen, bis wir wieder zusammentreffen?«
»Dreieinhalb Stunden sollten genügen«, erwiderte Pitt.
Koski sah gedankenvoll vor sich hin. »Vier Stunden – nach vier Stunden nehme ich Kurs auf den Eisklotz, um nach Ihnen zu suchen!«
»Danke, Commander«, sagte Pitt. »Glauben Sie mir, ich bin Ihnen für Ihre Besorgnis sehr dankbar.«
Koski glaubte ihm. »Sind Sie sicher, daß ich die
Catawaba
nicht näher an Ihr Suchgebiet heranbringen soll? Wenn Sie einen Unfall auf dem Berg haben oder notwassern müssen, bezweifle ich, daß ich rechtzeitig bei Ihnen bin. In fünf Grad kaltem Wasser hat ein Mensch in voller Kleidung nur eine Lebenserwartung von 25 Minuten.«
»Wir müssen es riskieren.« Pitt nahm einen letzten Schluck Kaffee und starrte gedankenverloren in die leere Tasse. »Die Russen könnten schon Lunte gerochen haben. Unter Umständen hat eines ihrer Boote die Küstenwache an einem Sonntag außerhalb ihres regulären Postens herumkreuzen sehen. Darum fliegen wir auch mit einem Hubschrauber. Wir können uns tief genug halten, um von deren Radar nicht erfaßt zu werden, und haben immer noch einen guten Überblick. Die Zeit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Ein Hubschrauber kann zehnmal so schnell wie die
Catawaba
in die Nähe der
Nowgorod
gelangen und sich auch ebenso schnell wieder entfernen.«
»Okay«, seufzte Koski. »Es ist Ihr Bier. Achten Sie nur darauf, daß Sie auf der Landeplattform um …« Er zögerte und schaute auf seine Uhr. „… daß Sie nicht später als zehn Uhr dreißig zurück sind.« Er grinste. »Wenn Sie brav sind und rechtzeitig zurückkommen, habe ich einen guten Johnny Walker für Sie da.«
Pitt lachte. »Das nenne ich ein gutes Lockmittel!«
»Die Sache gefällt mir nicht«, versuchte Hunnewell den Hubschraubermotor zu überschreien.
»Wir müßten ihn schon längst gesichtet haben.«
Pitt warf einen Blick auf seine Uhr. »Wir sind noch innerhalb unseres Limits. Wir haben noch über zwei Stunden Zeit.«
»Können Sie nicht höher gehen? Wenn wir unsere Sichtweite verdoppeln, verdoppeln sich auch unsere Chancen, den Eisberg auszumachen.«
Pitt schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht machen. Wir würden nämlich auch die Wahrscheinlichkeit verdoppeln, entdeckt zu werden. Es ist sicherer, auf einer Höhe von 50 Metern zu bleiben.«
»Wir müssen ihn unbedingt heute finden«, sagte Hunnewell. Ein ängstlicher Ausdruck trat in sein pausbäckiges Gesicht. »Morgen kann es für einen zweiten Versuch zu spät sein.« Er studierte kurz die Karte, die über seine Knie gebreitet lag, dann nahm er sein Fernglas und richtete es nach Norden, wo eine Gruppe von Eisbergen trieb.
»Haben Sie schon irgendeinen Eisberg entdeckt, auf den unsere Beschreibung passen würde?« fragte Pitt.
»Vor etwa einer Stunde haben wir einen überflogen, dessen Größe und Aussehen gestimmt hätten. Aber er war nicht rot markiert.« Hunnewell suchte mit dem Fernglas die ganze unruhige Oberfläche des Ozeans ab, der mit Hunderten von gewaltigen Eisbergen übersät war. Einige von ihnen waren scharfkantig und zerklüftet, andere abgeschliffen und glatt und erinnerten an schneeweiße geometrische Körper, die jemand wahllos über das blaue Meer verstreut hatte.
»Mein Selbstbewußtsein ist ruiniert«, meinte Hunnewell düster. »Seit dem Trigonometrieunterricht in der High School habe ich mich nicht mehr so verrechnet.«
»Vielleicht hat der Wind gedreht, und der Eisberg driftet in eine ganz andere Richtung.«
»Wohl kaum«, meinte Hunnewell verdrossen. »Die Masse eines Eisbergs, die sich unter Wasser befindet, ist siebenmal so groß wie sein sichtbarer Teil. Wohin er treibt, hängt ausschließlich von der jeweiligen Meeresströmung ab. Selbst ein Sturm von vierzig oder fünfzig Stundenkilometern
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