Eisberg
anderen einverleiben.«
»Die Armen und Hungrigen werden nur darauf warten, in euer Paradies aufgenommen zu werden«, sagte der Franzose geringschätzig. »So stellen Sie sich das doch vor?«
»Sie wollen sich über uns lustig machen«, erwiderte Kelly ungerührt. »Aber Sie kommen der Wahrheit näher, als Sie glauben. Ja, die Armen und Hungrigen werden wie Ertrinkende nach dem Strohhalm greifen, den wir ihnen bieten.«
»Die Dominotheorie eines Idealisten«, meinte Pitt.
Kelly nickte. »Sie haben recht, ich bin Idealist. Warum auch nicht? Immer wieder waren es Ideale, die unsere westliche Kultur vorwärtsgebracht haben. Wir, die Industriellen, die wir während der letzten zweihundert Jahre den vielleicht größten, den entscheidenden Einfluß auf die Menschheitsgeschichte gehabt haben, haben jetzt die einmalige Gelegenheit, der westlichen Kultur noch einmal zu neuer Blüte zu verhelfen. Ohne uns wird sie in der Gosse verkommen und untergehen. Ich gebe zu, ich bin Konservativer. Ich vertrete Ansichten, für die die sogenannten Progressiven an unseren Universitäten stets nur ein geringschätziges Lächeln übrig haben. Ich glaube, daß Ordnung besser ist als Anarchie. Ich ziehe den Gewinn dem Verlust vor und versuche lieber, mit Gewalt als mit sanfter Überredungskunst mein Ziel zu erreichen. Und ich bin der festen Überzeugung, daß die gesunden Regeln des Wirtschaftslebens mehr wert sind als alle politischen Ideologien.«
»Ihr toller Plan hat einen Fehler«, wandte Pitt ein und bediente sich mit einem neuen Glas Cognac. »Ihr Programm entspricht in einem wichtigen Punkt nicht Ihren Zielen, und das könnte Ihrem ganzen Vorhaben zum Verhängnis werden.«
Kelly schaute Pitt forschend an. »Sie wollen es mit der höchstentwickelten Computertechnik aufnehmen, Major? Wir haben Monate damit zugebracht, alle Eventualitäten, alle möglichen Varianten durchzuspielen. Und wir sollten etwas übersehen haben?«
»Vielleicht doch.« Pitt kippte seinen Cognac hinunter, als wäre er Wasser, und sagte: »Wie erklären Sie die Beteiligung von Rondheim und Miss Fyrie? Sie entsprechen kaum den Altersanforderungen für die Führungsmannschaft der Eremit Ltd. Rondheim ist eben Anfang dreißig. Und Miss Fyrie … na ja … sie kommt noch nicht einmal an die dreißig heran.«
»Miss Fyries Bruder Kristjan war, wie ich selbst, ein Idealist, ein Mann, der nach einem Weg suchte, die Menschheit aus dem Sumpf von Armut und Elend herauszuführen. Sein Idealismus, den er in Afrika und allen anderen Teilen der Welt, wo nur seine Unternehmen tätig waren, bewiesen hat, bewog uns zu dieser Ausnahme. Anders als die meisten Männer der Wirtschaft legte er sein Geld zum Nutzen aller an. Als er auf tragische Weise sein Leben verlor, stimmte der Aufsichtsrat von Eremit Ltd.« – mit einer leichten Verbeugung wies er auf die Männer, die sich um ihn geschart hatten – »dafür, Miss Fyrie statt seiner aufzunehmen.«
»Und Rondheim?«
»Für seine Aufnahme sprachen ein paar günstige Begleitumstände, auf die wir gehofft, aber mit denen wir eigentlich nicht gerechnet hatten. Obwohl sein riesiger Fischereikonzern uns beim Aufbau einer südamerikanischen Fischereiindustrie außerordentlich nützlich sein konnte, entschieden wir uns erst für seine Aufnahme, als wir seine verborgenen Talente und nützlichen Verbindungen erkannten.«
»Ist er der Leiter Ihrer Liquidationsabteilung?« fragte Pitt wieder unbeherrscht. »Das Oberhaupt Ihrer Ismaeliten?«
Die Männer um Kelly starrten erst sich und dann Pitt an. Sie musterten ihn neugierig, ohne ein Wort zu sagen. Von Hummel wischte sich zum fünfzigstenmal über seine Augenbraue, und Sir Eric Marks fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und nickte Kelly zu, was von Pitt nicht unbemerkt blieb. Pitt schlenkerte affektiert seine Schärpe, ging zum Tisch hinüber und goß sich noch ein Glas Cognac ein, für unterwegs. Eines nämlich war ihm klar: durch die Tür würde ihn Kelly nicht gehen lassen.
»Was heißt das?« stieß Kelly hervor. »Sind Sie verrückt? Machen Sie Witze?«
»Kaum«, erwiderte Pitt. »Wenn man dreimal einen Mordanschlag überlebt hat, ist einem diesbezüglich nicht mehr nach Witzen zumute.«
»Das Tragflächenboot!« fauchte Rondheim böse. »Sie wagen es, selbst davon anzufangen?«
Pitt setzte sich hin und nippte an seinem Glas. Wenn er schon sterben mußte, dann wenigstens mit dem befriedigenden Gefühl, bis zum Schluß Herr der Szene geblieben zu sein. »Die
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