Eisblume
Sprüche.«
»Entschuldige.« Er griff über den Tisch nach ihrer Hand. »Ceci, es tut mir leid. Ich habe unseren Tag versaut.«
»Was hättest du tun sollen?«
»Die Stuttgarter Kollegen informieren und mit dir Glühwein trinken gehen.«
Cecilia sah auf die Nachbartische. »Ob die hier auch Glühwein haben?«
»Bestimmt.«
»Ich hätte gern einen. Einen mit Schuss.«
Brander winkte der Bedienung und ergänzte ihre Bestellung.
»Und jetzt?«, fragte Cecilia.
»Schlendern wir trotzdem gleich noch über den Weihnachtsmarkt.«
»Meinst du, dass uns das Spaß machen wird?«
»Vermutlich nicht besonders viel.«
Sie konnten das Erlebte nicht einfach abstreifen wie ein schmutziges Hemd.
»Hast du viel mit solchen Kindern zu tun?«, fragte Cecilia
Natürlich erzählte Brander ihr von seiner Arbeit, aber bestimmte Dinge ließ er normalerweise aus seinem Familienleben heraus. Er wollte nicht, dass sie sich zusätzlich belastete. Es reichte, wenn er sich die Gedanken machte.
»Hin und wieder«, räumte er ein. »Sind zum Glück nicht alle so extrem.«
Sie drückte seine Hand.
»Manche können wir ja wieder auf den richtigen Weg bringen. Das ist wie mit deinen Patienten. Dem einen kannst du helfen, und der andere muss immer weiterkämpfen«, versuchte Brander zu erklären. »Oder kriegst du die alle wieder hin?«
»Nein, nicht alle. Aber vielen kann ich helfen.« Sie schien noch über etwas nachzudenken. »Wie kommst du damit klar, wenn dich ein Mädchen dermaßen beschimpft?«, fragte sie schließlich.
»Ich nehme das nicht persönlich.« Meistens, fügte er im Stillen hinzu. »Sie hat doch nicht wirklich mich gemeint. Sie ist wütend, sie hat Angst. Sie hat einen Hass auf Gott und die Welt. Und wenn ich mich ihr da in den Weg stelle, krieg ich halt die ganze Breitseite ab. In diesem Fall leider auch du.«
»Ja.« Sie sah ihn nachdenklich an. »Und das ist alles?«
»Du bist die Psychologin. Du weißt doch, wie man mit solchen Anfeindungen umgehen sollte.«
»Das stimmt, ich wollte nur wissen, ob du es auch weißt.«
»Ich kann ja mal einen Termin bei dir machen und mich auf dein Sofa legen.« Brander hob den Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen.
»Nein, ich würde dich an einen Kollegen verweisen. Du bist mir viel zu nah.« Sie hob seine Hand zu ihrem Gesicht, presste ihre Stirn gegen seinen Handrücken und schloss die Augen. »Das Mädchen tut mir leid. Hätten wir irgendwie anders reagieren können, damit sie nicht davonrennt?«
»Vermutlich gibt es immer eine andere Möglichkeit. Aber ich möchte da jetzt eigentlich nicht weiter drüber nachdenken. Das ist unser Nachmittag. Lass uns retten, was wir noch retten können.«
Sie hob den Kopf, und er sah in ihre grün gesprenkelten Augen. »Verdrängungstaktik?«
»Nein, ich versuche, einen Abstand zwischen diese Geschichte und uns zu bringen.« Es war bitter nötig. Er hätte sich mit Selbstvorwürfen zermürbt, weil er einfach viel zu viele Fehler gemacht hatte. Das Mädchen hätte auf dem Weg nach Hause sein können, stattdessen würde sie sich nun weiter bei der Kälte auf der Straße herumtreiben und ihren jungen Körper für dreißig Euro an irgendwelche Freier verkaufen. Er mochte nicht weiter darüber nachdenken.
»Gut, dann schlendern wir jetzt über den Weihnachtsmarkt zurück Richtung S-Bahn, trinken an unserem Stand einen Glühwein und fahren wieder nach Hause.«
»Das klingt nach einem guten Plan.«
Mittwoch
»Morgen, Andi«, fiel Hendrik in aller Frühe über Brander her. »Was ist gestern passiert?« Er stützte sich auf die Rückenlehne des Besucherstuhls in Branders Büro und wartete aufmerksam auf einen Bericht.
»Was soll passiert sein?«
»Du klangst gestern ziemlich angespannt, als du mich angerufen hast.«
»Hol mir einen Kaffee, und dann setz dich«, brummte Brander. Er musste Hendrik die Geschichte erzählen, und ihm graute schon jetzt vor dessen Spott. Besser, er brachte es gleich hinter sich.
»Was?«, fragte Hendrik irritiert.
»Ich bin gerade ins Büro gekommen. Und was mache ich immer als Erstes, wenn ich ins Büro komme?«
»Du holst dir einen Kaffee.«
»Genau. Und wenn du wissen willst, was gestern passiert ist, dann holst du mir jetzt einen Kaffee.« Brander deutete auf die Tür.
»Das steht aber nicht in meinem Dienstvertrag.«
»Da steht auch nicht, dass du mich schon morgens um halb acht nerven sollst.«
Hendrik zog ab.
Brander schaltete seinen Rechner ein und blätterte flüchtig durch den Stapel
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