Eisblume
– sie ist ziemlich stark.«
»Hm … ich weiß nicht.«
»Wissen tut keiner was. Aber ich denke, wir sollten Hendriks Gedanken auf jeden Fall Beachtung schenken. Natürlich ist es nicht sicher, dass Nathalie sich in der Eugenstraße herumgetrieben hat. Sie kann auch einen anderen Weg eingeschlagen haben. Die Frage ist, wo sie überhaupt an dem Abend war, schließlich behauptet Radeke, sie wäre nicht bei ihm gewesen. Zuletzt wurde sie anscheinend gegen halb elf von dieser Sofie am Neckarstauwehr gesehen. Und dann?«
»Aber dem Mann wurde ins Gesicht geschlagen.«
»Ich könnte mir folgendes Szenario vorstellen«, begann Hendrik. »Vockerodt geht die Eugenstraße entlang. Nathalie kommt ihm entgegen. Sie hat ein hübsches Gesicht und schöne lange schwarze Haare. Vockerodt ist ein netter Typ und lächelt sie an. Vielleicht sagt er sogar etwas zu ihr. Nathalie hat sowieso mächtig viel Wut im Bauch und fühlt sich angemacht. Sie schlägt zu. Das wird sich auch ein Mann wie Vockerodt nicht einfach so gefallen lassen. Wahrscheinlich wird er irgendetwas entgegnen, sie anschreien oder so. Vielleicht macht er eine Bewegung in ihre Richtung. Und da tritt sie zu. Aus Wut, aus Angst, wer weiß? Vockerodt rutscht aus und stürzt. Nathalie tritt nach und merkt, dass der Mann sich gar nicht mehr bewegt. Sie gerät in Panik und rennt davon. Wohin auch immer.«
»Die Zeugin sagt, sie hätte zwei oder drei Männerstimmen gehört«, gab Brander zu bedenken.
»Sie kann sich geirrt haben. Vielleicht hörte es sich einfach nur so an. Der Schall von den Hauswänden, keine Ahnung.« Hendrik sah zu Brander. »Du sagst, sie hat sich die Haare und Augenbrauen abrasiert. Warum verändert sie ihr Aussehen so krass? Sie will auf keinem Fall erkannt werden!«
»Du liebe Güte«, stöhnte Peppi auf. »Lass uns mit Freddy reden. Ich will seine Meinung dazu hören.«
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Manfred Troppers Büro.
»Oh, die geballte Kraft der Inspektion 1. Was habe ich verbrochen?«
»Nichts. Wir wollen deine Meinung hören«, erklärte Peppi.
»Das trifft sich gut. Die wollte ich euch schon lange mal sagen.«
»Später. Hendrik, leg los«, forderte Brander den Kollegen Marquardt auf.
Nachdem er seine Gedanken dargelegt hatte, sah Tropper mit hämischem Grinsen zu Brander. »Die hat dir vors Schienbein getreten? Und dann ist sie dir entwischt? Andi! Du wirst alt.«
»Kannst du dir diese Kommentare für später aufheben?«, bat Brander.
»Es fällt mir schwer. Andi, das war ja wohl einer der ältesten Tricks, auf den du da reingefallen bist.« Tropper schüttelte den Kopf.
»Danke für diesen sachdienlichen Hinweis«, entgegnete Brander. Er hatte gewusst, dass früher oder später die Lästerei losgehen würde. »Es wäre schön, wenn du uns nun gütiger Weise erst einmal deine hoch geschätzte Meinung zu der soeben dargebrachten Geschichte im Fall Vockerodt geben könntest. Denkst du, dass ein vierzehnjähriges Mädchen die Tat begangen haben könnte?«
Tropper lehnte sich zurück, verkreuzte die Finger vor seiner Körpermitte, dachte eine Weile stumm nach und sagte dann schlicht: »Ja.«
»Ja?«, wiederholte Peppi fragend.
»Ja. Also vermutlich ja. Ich kann es dir nicht garantieren. Ich müsste das Mädchen mal sehen. Aber Treten scheint ja zumindest eine ihrer Methoden zu sein«, ergänzte er mit einem Seitenblick auf Brander. »Wollt ihr noch mehr von mir?«
»Nein, im Moment nicht«, dankte Brander, bevor weiterer Spott auf ihn niederfiel.
»Dann zieht von dannen.« Tropper wedelte mit den Händen, als wäre er ein Großwesir, der seiner Untertanen überdrüssig geworden ist.
»Kommst du nicht mit? Wir haben Soko-Sitzung«, erinnerte Brander den Kollegen.
»Sklaventreiber.« So schnell wurde man vom Großwesir zum Untertan.
»Nur weil Freddy sagt, dass es möglich ist, muss das aber nicht heißen, dass sie es auch getan hat. Es erweitert nur unseren Täterkreis«, gab Brander den Kollegen zu bedenken, nachdem in der Sitzung die neuesten Überlegungen besprochen worden waren. »Wir haben verschiedene Ansätze. Ich will, dass die Aussagen von Dollhofer und Dupont überprüft werden.« Er sah zu Peppi.
»Alles schon in der Mache. Jens und ich übernehmen das.«
Jens Schöne war wieder einigermaßen gesund zum Dienst zurückgekehrt. Die Erkältung hatte ihm einen unschönen Herpes an der Oberlippe beschert. Barowskys Krankmeldung war noch bis zum Ende der Woche verlängert worden.
»Gut. Nach dem, was
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